Rache - 01 - Im Herzen die Rache
ohrenbetäubendes, donnerndes Krachen.
Sämtliche Köpfe im Lumière de la Mer drehten sich mit einem Schlag in seine Richtung. Genauer gesagt, in Richtung des noblen Dessert-Speisewagens, den er gerade über den Haufen geworfen hatte. Schokoladenmousse verschmierte den Fußboden, dunkelrote Pflaumen sickerten von einer zermatschten Tarte. In tausend Stücke gebrochene köstliche Florentiner verteilten sich zwischen Scherben von Porzellantellern auf dem Fußboden.
»Oh mein Gott, alles in Ordnung mit dir?« Sasha rannte auf ihn zu, doch plötzlich sah sie gar nicht mehr so aus wie Sasha, und da war auch kein Blut mehr.
Chase hätte sich am liebsten unter dem Tisch verkrochen und wäre nie wieder hervorgekommen. Er konnte nicht fassen, wie komplett schief dieser Abend gelaufen war.
Unter tausendmaligem peinlichen Um-Entschuldigung-Bitten kritzelte er seine Unterschrift auf die Kreditkartenabrechnung. Dreißig Dollar plus Steuer, nur um sich zum Affen zu machen, um fünfundvierzig Minuten in einem beschissenen Restaurant zu sitzen und auf jemanden zu warten, der überhaupt nicht kam, und anschließend eine Halluzination zu kriegen und einen Haufen beknackter Backwaren zu ruinieren.
Das war’s. Mit Ty war er durch.
Um seinen Ärger zu übertönen, raste Chase mit plärrend lautem Radio zum neuen Einkaufszentrum, während seine Hände im Takt dazu auf das Lenkrad trommelten. Ihm brummte der Schädel von den Whiskeys und vor lauter Wut und Scham. Es war ihm egal, wie scharf Ty war oder wie toll das Gefühl, das sie in ihm auslöste. Er würde ihr gründlich die Meinung sagen. So sprang niemand mit Chase Singer um.
Doch als er am Parkplatz beim Shopping-Monster ankam, sah er, dass bis auf ein paar Baulampen alles dunkel war, und er erinnerte sich nicht mehr genau daran, wie man durch den Wald zu Tys Haus gelangte. Er stieg aus und ging ein paar Schritte, aber dann war seine Zuversicht von der kalten Luft wie weggeblasen und er sah ein, dass sein Vorhaben aussichtslos war. Er würde diesen Pfad niemals finden und selbst wenn, wie sollte er ohne Taschenlampe auf dem rechten Weg bleiben? Er hatte nicht vor, nachts mutterseelenallein mitten durch den Wald zu latschen … schon gar nicht durch den Verwunschenen Wald, auch wenn er nicht an diese Geistergeschichten glaubte. Verdammt.
Doch dann glaubte er eine kleine Öffnung im Gestrüpp zu erkennen, Schnee, der anscheinend von harschen Fußtritten festgetrampelt worden war. Er ging darauf zu, während seine Augen versuchten, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ja, es war ein kleiner Weg. Das musste er sein. Als die schmale Waldlichtung sich öffnete und den Blick etwas mehr freigab, wurde er sich seiner Sache noch sicherer. Das war ganz bestimmt der verschlungene Trampelpfad, den sie ein paar Tage zuvor entlanggegangen waren. Er folgte ihm bis zu der Stelle, von der er mit Sicherheit annahm, dass dort die Lichtung mit Tys Haus war. Hier schien das Mondlicht heller – es standen nicht ganz so viele Bäume im Umkreis. Er war sich hundertprozentig sicher, an der Stelle angekommen zu sein, an der er zum ersten Mal Tys heruntergekommenes Zuhause erblickt hatte. Aber da war nichts, nur ein paar schwarz angesengte Bäume, als hätte es hier kürzlich ein großes Feuer gegeben.
Chase stolperte auf demselben Weg zurück, auf dem er gekommen war, und verfluchte Ty und seinen schlechten Orientierungssinn. Als er wieder hinaus auf den Parkplatz kam und gerade auf sein Auto zugehen wollte, schreckte er zurück. Da, zwischen ihm und seinem Wagen, lag irgend so ein ekliges totes Tier auf dem Schotterplatz. Überfahren. Vermutlich war es einer dieser riesigen Baumaschinen in die Quere gekommen. Ein Opossum vielleicht? Es war von drei Wildkatzen umgeben, die damit spielten, es stupsten und daran herumzerrten. Innerhalb von Sekunden hatten sie sich lautlos angeschlichen.
»Weg mit euch!«, rief er, hob einen Stein auf und schleuderte ihn grob in ihre Richtung. Ihre Augen leuchteten im Mondlicht, hell und grün und gläsern. Sie blickten ihn ruhig an und nahmen dann ihre Beschäftigung wieder auf. »Ich hab gesagt, ihr sollt euch verpissen!«, brüllte Chase erneut, diesmal noch lauter, und seine Wut über Ty vermischte sich mit dem Ekel vor den abgemagerten Geschöpfen vor seinen Augen.
Statt zu verschwinden, zerrte eine der Katzen so lange an dem Kadaver, bis ein Teil sich davon löste. Das blutige Fleisch wie eine Opfergabe für ihn aus dem Maul hängend, kam sie auf Chase
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