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Rache an Johnny Fry

Rache an Johnny Fry

Titel: Rache an Johnny Fry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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weiß es nicht. Wir haben uns in den letzten Monaten nicht oft gesehen. Nur an den Wochenenden. Von Sex ganz zu schweigen.«
    »Nicht viel Sex? Und wie würdest du das nennen, was Freitagabend und gestern im Park ablief?«
    »Ich glaube, das lag nur daran, dass ich Angst hatte.«
    »Angst wovor?«
    »Dich zu verlieren«, sagte ich und begriff, dass es in gewisser Weise tatsächlich so war. Ich hatte sie bereits verloren, ohne es zu wissen, und jetzt durchlebte ich all die Gefühle des Bangens, die einem solchen Verlust vorausgehen. Es war fast so, als spielte ich Fangen mit der Zeit.
    »Ich gehe nirgendwohin«, sagte Jo. »Ich warte auf dich und will dich hier bei mir haben.«
    »Wie wäre es mit morgen?«, bot ich ihr an.
    Jo hasste es, Wochentage mit mir zu verbringen. Ihre Arbeit nahm so viel Platz in ihrem Leben ein, dass sie immer sagte, sie müsse werktags über allein sein, um ihre Energien zu sammeln. Ich hatte seit sechs Jahren keinen Wochentag mehr mit ihr verbracht.
    »Okay«, sagte sie, ohne zu zögern. »Um wie viel Uhr kommst du?«
    »Wann passt es dir?«
    »Am Nachmittag?«
    »Bist du sicher, dass du nicht arbeiten musst?«, fragte ich.
    »Ich habe einen Termin, aber den kann ich verlegen«, sagte sie. »Du bist mir wichtig, L. nicht irgendein Job.«
    Ich hob die Hand und roch den leichten Zitronenduft von Lucys Parfüm. Das reichte, um mich schuldig zu fühlen. Dann dachte ich an Johnny Fry und spürte wieder die Wut in mir aufsteigen. In diesem Augenblick begann ich die Verbindung von Wut und Lust zu verstehen. Irgendwann, seit ich Jo und Johnny auf dem sonnenbeschienenen Teppich hatte vögeln sehen, war ich zum Leben erwacht. Und das Leben schmerzte.
    »Gut«, sagte ich. »Um drei. Ich komme um drei.«
    »Du klingst, als wolltest du auflegen.«
    »Ich will nicht«, log ich, »aber ich muss«, und log gleich wieder.

 
    Klassische Mathematik lässt sich auf Herzenssachen nicht anwenden. Dass ich mit Lucy geschlafen und mit Sasha und Linda Chou geflirtet hatte, wog nicht auf, was Joelle mit Johnny Fry getan hatte. Solche Gleichungen konnten im Ergebnis nicht dazu führen, dass ich ihr vergab. Ich würde niemals das Gefühl haben, dass zwischen uns Ausgewogenheit herrschte.
    Ich wollte nicht zu ihr gehen, aber ich wollte, dass sie wollte, dass ich zu ihr kam. Ich wollte nicht, dass sie mit Johnny geschlafen hatte, aber wann immer ich sie sah und mir die beiden vorstellte, wollte ich mit ihr ins Bett.
    Die Verwirrung war zu groß. Ich ging aus dem Haus und wanderte Richtung Eastside, lief erst nordwärts ungefähr bis zur Houston und dann Richtung Osten zum West Broadway. An diesem Sonntagnachmittag waren Tausende von Leuten unterwegs. Frauen mit so gut wie nichts auf dem Leib und Männer, die so taten, als starrten sie sich nicht die Augen nach ihnen aus dem Kopf. Straßenhändler verkauften Silberschmuck, Gemälde, Getöpfertes und alte Schallplatten. Ich lief weiter in Richtung Osten, überquerte die Elizabeth und die Chrystie Street.
    Nach einer Weile wurde ich müde und setzte mich neben einen blauen Hydranten vor einem kleinen peruanischen Restaurant. Neben dem Hydranten stand ein Telefonmast, an dem Dutzende von Zetteln hingen. Gesucht wurden Untermieter, Mitbewohner, Zimmer. Einige verließen die Stadt und verkauften ihre Habe. Einer Frau war ihr Pudel namens Boro entlaufen. Ein lavendelfarbenes Blatt versprach, man könne innerhalb von dreißig Tagen dreißig Pfund abnehmen, kostenlos. Und es gab neun Zettel mit dem fotokopierten Bild einer jungen schwarzen Frau.
    HABEN SIE ANGELINE GESEHEN?, stand darunter, zusammen mit einer Telefonnummer und der Auslobung einer Belohnung von einhundertfünfzig Dollar. Es war der niedrige Betrag, der mich stutzig machte. Angeline musste aus einer armen Familie stammen, die kaum Geld aufbringen konnte. Die Leute taten mir leid, genau wie das Mädchen, obwohl sie allein vielleicht glücklicher war. So wie ich. Wenigstens war es vor Jo so gewesen.

 
    Minda, meine erste Frau, war Malerin. Sie malte Porträts auf der Promenade von Coney Island. Wir heirateten aus einer Laune heraus, und die Scheidung folgte auf dem Fuß. Nach neun Monaten Ehe sagte sie mir, dass sie lieber mit einem Haufen Scherben im Bett läge.
    »Was mache ich falsch?«, fragte ich sie.
    »Du machst gar nichts«, sagte sie. »Du furzt nicht mal.«
    Meine zweite Ehe war noch kürzer. Die Braut hieß Yvette, und ihr Vater war Karrieresoldat. Bei unserer Hochzeit erklärte er mir, wenn ich

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