Rache auf leisen Pfoten
ältester Klub in Albemarle County zählte Farmington sowohl die hohen Tiere der Umgebung zu seinen Mitgliedern als auch die völlig Nutzlosen, deren einziges Verdienst darin bestand, genug Geld geerbt zu haben, um die laufenden Mitgliedsbeiträge bezahlen zu können. Der Altersdurchschnitt der Mitglieder lag bei zweiundsechzig Jahren, was für die Zukunft des Klubs nichts Gutes verhieß. Dennoch hielt Farmington an seinem alten Golfplatz mit langen, klassischen Fairways fest. Die modernen Golfplätze hatten zu viele scharfe Doglegs und Par-3-Löcher, weil der Grund so teuer war.
Charlie Ashcraft, ein guter Golfspieler, hatte sein Geschick in Farmington ebenso bewiesen wie bei dessen Konkurrenten Keswick und Glenmore. Bei einem Siebener-Handicap war er als Partner sehr gefragt und schleppte auf Turnieren pfundweise Silber ab. Er hatte auch Belinda Harrier abgeschleppt, als er erst siebzehn und sie dreißig war und bei den Damenmeisterschaften gewonnen hatte. Das war das erste Anzeichen gewesen, dass Charlie über ungewöhnliche Verführungskünste verfügte. Charlies Eltern hatten ihn aus dem Richmond Motel abgeholt, in das er mit Belinda geflohen war, und Belindas Mann hatte sich prompt scheiden lassen. Mit ihrem Golfspiel war es bergab gegangen, mit Belinda ebenso.
Rick Shaw, der Sheriff von Albemarle County, und seine Stellvertreterin, die junge und äußerst attraktive Cynthia Cooper, waren über dies alles informiert. Sie hatten ihre Hausaufgaben gemacht. Cynthia war ungefähr zwanzig Jahre jünger als Rick. Der Altersunterschied stand ihrer Zusammenarbeit nicht im Weg.
Die kürzlich neu gestaltete Umkleide hatte einen kleinen Aufenthaltsraum, an den sich die Spinde und die Duschen anschlossen. Die Außentür ging auf den Parkplatz. Etwa drei Meter von dem Golfladen befand sich eine Innentür. Dazwischen führte eine Stiege zuerst zu einem Treppenabsatz und dann zum Herren-Grill, zu dem Damen keinen Zutritt hatten. Wer den Grill durchquerte, landete im »19. Loch«, dem typischen Restaurant, das die meisten Klubs auf ihrem Golfplatz eingerichtet hatten.
Charlies Mörder hätte ohne Weiteres in den Herren-Umkleideraum hinein- und wieder hinausgelangen können. Da die Golfspieler schon gegangen waren, dürften sich nur diejenigen dort aufgehalten haben, die sich fürs Abendessen im Speisesaal oder unten in der Taverne am anderen Ende des großen Gebäudes umzogen. Im Umkleideraum dürfte wenig Betrieb gewesen sein. Die Putzkolonne machte gegen elf Uhr abends sauber und sah um acht Uhr morgens noch einmal nach, weil die Umkleideräume nie abgeschlossen wurden.
Mark DiBlasi, ein Rechtsanwalt, hatte Charlie Ashcraft gefunden. Der Leichnam blieb, wie Mark ihn angetroffen hatte, aufrecht sitzend, gegen Spind Nr. 13 gesackt. Das Spind war mit Blut beschmiert. Charlies Kopf war zur Seite gesunken, Blut sickerte aus seinen Ohren, aber nicht aus Augen oder Mund. Es war ein sauberer Schuss aus sehr kurzer Entfernung, was die kreisrunde Schmauchspur an der Eintrittsstelle bewies. Die Kugel war am Hinterkopf ausgetreten, in die Spindtür geschlagen und in der Wand gegenüber stecken geblieben.
Mark DiBlasi hatte mit seiner Mutter und seiner Frau zu Abend gegessen. Er war aus dem Speisesaal gegangen, um seine Brieftasche aus seinem Spind zu holen. Er hatte bis halb sieben Golf gespielt, geduscht und sein Spind abgeschlossen, aber seine Brieftasche vergessen, die noch in seinen Golfshorts steckte. In dem Moment, als er Charlie sah, hatte er zuerst den Sheriff angerufen, dann den Klubmanager verständigt. Danach hatte er sich hingesetzt und gezittert wie Espenlaub.
»Entschuldigen Sie, Mark. Ich weiß, es ist quälend.« Cooper setzte sich neben ihn auf eine Bank. »Sie sind um acht hier hereingekommen?«
»Ja.« Mark rang um Fassung.
»Sie haben niemanden bemerkt.«
»Nein.«
Sie blätterte in ihrem Notizbuch. »Ich denke, ich habe alles. Wenn ich noch Fragen habe, rufe ich Sie in der Kanzlei an. Bedauerlich, dass Ihnen Ihr Abendessen verleidet wurde.« Sie rief Rick zu: »Noch Fragen?«
Rick drehte sich um. »Mark, wer war Charlies jüngste Eroberung?«
Mark wurde rot und stotterte einen Moment. »Ah – was Neues, Hübsches?«
Rick nickte. »Gehen Sie nur. Ich weiß ja, wo ich Sie finden kann. Wenn Ihnen etwas einfällt, rufen Sie mich an.«
»Mach ich.« Mark rückte im Hinauseilen seine Krawatte gerade.
»Er wird Albträume haben«, bemerkte Cynthia.
»H-m-m.« Rick wechselte das Thema. »Wir fangen mit
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