Rache auf leisen Pfoten
und Cynthia Cooper hielten in getrennten Fahrzeugen in der gepflasterten Zufahrt zu den Arztpraxen. Johnson & McIntire stand auf einem dezenten Messingschild, das neben der dunkelblauen Tür angebracht war.
Der weiße Schindelbau sah aus wie eh und je. Anfang der Fünfzigerjahre hatte Larry Johnson diesen und das Haus nebenan gekauft, das er bis heute bewohnte.
Larry, der jetzt leicht gebückt ging und silbergraues Haar hatte, öffnete persönlich die Tür, als die Gesetzeshüter anklopften.
»Nur hereinspaziert.« Er lächelte freundlich. »Wenn Sie so früh auf den Beinen sind wie ich, muss es sich um etwas Wichtiges handeln. Die Morde, nehme ich an.«
»Ja.« Rick schloss die Tür hinter sich, und sie folgten Larry in sein Sprechzimmer, das mit Anerkennungen, die ihm zeit seines Lebens für seine Dienste zuteilgeworden waren, und mit seinen Zeugnissen tapeziert war.
»Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
»Nein, nein, danke. Wir sind schon abgefüllt.« Deputy Cooper angelte ihr Notizbuch aus ihrer Gesäßtasche.
»Larry.« Rick nannte den Arzt beim Vornamen, wie es die meisten Leute taten. »Sie haben Charlie Ashcraft und Leo Burkey gekannt.«
»Ich habe sie auf die Welt geholt. Damals hat ein Arzt praktisch alles gemacht. Daher die Bezeichnung praktischer Arzt.«
»Sie haben sie aufwachsen sehen?« Ricks Frage war zugleich eine Feststellung.
»Ja.«
»Und Sie könnten daher ihren Charakter beurteilen?«
»Ich denke, ja.« Larry lehnte sich zurück. »Ist es das, wonach Sie fragen?«
»Ja. Ich hab drum herumgeredet.« Rick musste über sich selbst lachen.
»Charlie war ein hochintelligenter Junge. Geradezu brillant. Er hat es freilich kaschiert, wie es jeder gute Südstaatengentleman tut. Sein Erfolg an der Börse hat mich nicht so überrascht wie andere. Sein Geschäftsgebaren war rechtschaffen. Schon als Kind hat er sich ernsthaft fürs Geschäftliche interessiert. Wie Sie wissen, waren die Frauen sein Verhängnis. Er war wie die meisten Männer, die von ihrer Mutter verwöhnt und verhätschelt wurden. Sie erwarten ihr ganzes übriges Leben so behandelt zu werden, und mich wundert, dass es immer ein großes Aufgebot an Frauen gibt, die sich willig ausnutzen lassen. Aber von den Weibergeschichten abgesehen, war Charlie ein anständiger Kerl.«
»Und Leo?«, fragte Coop.
»Ein Energiebündel. Schon als Kind strotzte er vor körperlicher Energie. Ein liebenswerter Junge. Man musste ihn einfach gernhaben. Auch er war ein hübsches Kind, nicht so umwerfend wie Charlie, aber er sah nett aus. Ich habe ihn kaum noch gesehen, nachdem er aufs College gegangen und später nach Richmond gezogen war.«
»Konnten Sie irgendetwas erkennen, das die beiden verband?«
»Nein.«
»Und medizinisch? Gab es etwas, an dem beide litten? Depressionen oder dergleichen?«
»Nicht, dass ich wüsste. Allerdings war ich nicht mehr Leos Arzt, nachdem er die Highschool verließ. Beide Jungen haben die üblichen Krankheiten durchgemacht, Halsentzündung, Grippe, Windpocken. Nichts, das aus dem Rahmen fiel.«
»Könnte einer von ihnen Sexpartnerinnen mit Geschlechtskrankheiten angesteckt haben?« Hiermit kam Rick auf das Gebiet zu sprechen, von dem er sich den größten Erfolg versprach.
Larry legte die Hände hinter den Kopf und lehnte sich zurück. Er blickte an die Decke, dann sah er die beiden wieder an. »Wie Sie wissen, ist das Verhältnis zu Patienten vertraulich.«
»Ja, sicher, aber beide Patienten sind tot, und ich hoffe und bete, dass es mit den Morden ein Ende hat. Aber wenn nicht, Larry? Ich muss alles herausfinden, was ich kann. Alles.«
Larry legte die Hände wieder auf seinen Schreibtisch und senkte die Stimme. »Rick, medizinisch haben die zwei Männer nichts gemeinsam. Aber Leo Burkey war nicht mehr mein Patient, seit er das College beendet hatte, und das muss 1984 oder 1985 gewesen sein.«
Cynthia sah in ihren Notizen nach. »Stimmt. 1984.«
»Gibt es keine unehelichen Kinder aus Highschool-Tagen? Keine Dummheiten?«
»Nicht bei Leo. Jedenfalls nicht, solange ich sein Arzt war. Mit Charlie war es etwas anderes, wie Sie sich denken können.«
»Ja«, sagte Rick. »Tiffany meinte, Sie wüssten alles.«
»Hat sie das gesagt?« Larry schüttelte den Kopf. »Das Leben ist zu kurz, um so nachtragend zu sein. Von Charlies Exfrauen und Exflammen ist sie diejenige, die am meisten hasst. Das wird sie am Ende zugrunde richten.«
»Könnten Sie das genauer erklären?« Cynthia bemühte sich, ihre Ungeduld
Weitere Kostenlose Bücher