Rache auf leisen Pfoten
Aschenbecher, tat einen Zug. »Boom Boom, hier stelle ich die Fragen, nicht Sie.«
»Ich mag gar nicht an Leo denken, wie er …« Ihre Augen schwammen plötzlich in Tränen, aber es war ja hinlänglich bekannt, dass Boom Boom nahe am Wasser gebaut hatte. »Er war so lustig. Er …« Sie zuckte die Achseln, außerstande fortzufahren.
Rick wartete einen Augenblick. »Er war ein alter Freund von Ihnen.«
»Ja«, antwortete sie leise.
»Haben Sie gewusst, dass er in Scheidung lebte?«
»Ja.« Sie breitete die Hände aus, mit den Handflächen nach oben. »Er hat es uns im Outback erzählt. Ich glaube, er war verbittert, obwohl Leo immer über alles Witze machte.«
»Gehen Sie zur Beerdigung?«
»Natürlich.«
»Er wird in Richmond beigesetzt, nicht?«
»Ja. St. Thomas. Die vornehmste Kirche von Richmond.«
»Ist Leo aus guter Familie?«
»Ja, aber die Heirat hat ihn auf der Gesellschaftsleiter noch weiter nach oben gebracht. Seine Frau ist eine Smith. Von den Smith.«
»Und ich nehme nicht an, dass sie eine ihrer Töchter Pocahontas genannt haben.«
»Äh …« Ihre Mundwinkel kräuselten sich nach oben. »Nein.«
»Ich hatte erwartet, dass Sie betroffener sein würden.« Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, bis bräunliche Tabakkrümel aus der Kippe quollen. »Sie sind ein gefühlsmäßiger Typ.«
»Ich nehme an, es ist ein Verdrängungsvorgang. Zuerst Charlie. Jetzt Leo. Es ist mir noch nicht bewusst geworden.«
»Sind sie jemals mit demselben Mädchen gegangen?«
»Auf der Highschool?«
»Wann auch immer. Fällt Ihnen da etwas ein?«
»Nein. Auch nicht aus der Grundschulzeit.«
»Können Sie sich irgendjemanden denken, der Leo gehasst hat?«
»Nein. Sein Witz konnte manchmal messerscharf treffen. Aber ein richtiger Feind? Nein. Und ich glaube auch nicht, dass seine Frau ihn gehasst hat. Schließlich ist eine Scheidung eine nüchterne Tragödie.«
»Das klingt richtig poetisch.«
»Ja?« Sie klimperte Rick mit ihren langen Wimpern an. Rick sah zwar nicht im landläufigen Sinn gut aus, dafür aber sehr männlich.
Er lächelte zurück. »Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, rufen Sie mich an.« Er erhob sich, und sie stand ebenfalls auf.
»Sheriff, glauben Sie, dass Charlie und Leo von derselben Person oder denselben Personen umgebracht wurden?«
»Das weiß ich nicht, und ich werde von Ihren Steuergeldern nicht dafür bezahlt, voreilige Schlüsse zu ziehen.«
Sie begleitete ihn zur Tür und wünschte ihm einen guten Tag.
Später verglichen er und Cynthia Cooper ihre Aufzeichnungen. Getrennt hatten die beiden jeden verhört, der an jenem Tag bei den Aufnahmen zugegen gewesen war. Nach so einem Vorfall musste man sich die Leute so bald wie möglich vornehmen. Dies war ein fester Grundsatz von Rick.
Man hatte Leos Wagen gefunden, der noch auf dem Parkplatz des Outback stand. Niemand vom Personal des Restaurants erinnerte sich, gesehen zu haben, dass Leo in einen anderen Wagen gestiegen war, aber sie hatten ja drinnen gearbeitet. Auch die kleine Gruppe von Freunden konnte sich nicht entsinnen, gesehen zu haben, dass er in ein anderes Auto stieg.
Sie saßen in seinem Büro und zeichneten für Leo ein Ablaufdiagramm. Die Aussage jeder Person bestätigte, was jede andere Person gesagt hatte. Es gab keine offensichtlichen Auslassungen, keine auffälligen Widersprüche.
»Chef, er hätte nach dem Essen jemanden abholen und in dessen Wagen irgendwohin fahren können. Charlottesville ist eine College-Stadt. Da findet so was wie ein Nachtleben statt.« Freilich nicht für sie. Sie fiel zwischen die College-Schüler und die Ehepaare, und damit gehörte sie zur Minderheit.
»Hätte er.«
»Sie glauben, er kannte den Mörder, so wie vermutlich Charlie ihn kannte, nicht?«
»Wenn er den Mörder nicht gekannt hätte, dann ist der Mörder auf jeden Fall irgendwie unverfänglich. Ein harmlos wirkender Mensch oder eine Respektsperson, etwa ein Lehrer.« Er hielt inne. »Manchmal ist man sich gar nicht bewusst, dass man Grund zur Angst hätte. So gesehen hätte Leo von einer Frau ermordet worden sein können.«
»Die hätte aber ziemlich kräftig sein müssen, um ihn in den Müllcontainer zu wuchten«, sagte Cynthia.
»Ja, aber es wäre zu schaffen gewesen. Der Mann, den Hunter Hughes in den Umkleideraum im Farmington Club gehen sah, war schlank. Durchschnittlich groß, aber er hat ihn ja nur von Weitem gesehen; der Mann hätte durchaus auch kleiner sein können. Das heißt weder, dass
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