'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
wusste beim besten Willen nicht, wie sie diese Situation einschätzen sollte. Rasch suchte sie die Scheune mit Blicken nach Gabriella ab. Vergeblich. Ihre Mitschülerin war nirgends zu sehen.
Gerade als Julia sich eine mögliche Erklärung für das Verschwinden ihrer Klassenkameradin zurechtlegen wollte, setzte die Musik wieder ein und wirbelte ihren Spürsinn vollkommen durcheinander.
„Endlich geht’s weiter!“, schrie Jasmin begeistert. Sie stürmte von der Seite auf Julia zu, riss sie aus ihrer Observation heraus und schleppte sie mit sich zu den Mädchen, die vor der Scheune erneut zu tanzen begannen. Im Augenwinkel konnte Julia noch erkennen, dass Tina sich vor Stefan aufbaute, um auch ihn mit ihrer Kamera zu verewigen. Aber der 20-Jährige dachte nicht im Traum daran, freiwillig für sie Modell zu stehen. Er schubste sie beiseite und brüllte sie außer sich vor Wut an.
Abermals konnte Julia seine Worte nicht verstehen. Jedoch sah sie, wie er mit seinen Ärmchen wild vor Tinas Gesicht herumfuchtelte. Den Zeigefinger hielt er ihr dabei direkt unter die Nase. Es wirkte wie eine Drohgebärde, die durch seine funkelnden Augen gewichtig an Wirksamkeit zulegte. Tina erwiderte nichts. Zu gewaltig schien sie von dem Studenten eingeschüchtert zu sein. Daher entfernte sie sich schnell von ihm, wobei sie auf ihrer Flucht mehrmals zum 20-Jährigen zurückblickte. Offenbar hegte sie die Befürchtung, dass er sie aus dem Hinterhalt anfallen könnte. Zu ihrer Beruhigung verharrte er jedoch in seiner gewohnten Umgebung: den Bierkästen.
Und dort öffnete er sich wütend eine weitere Flasche.
32
Tommy blickte von seinem Notizblock auf. „Konntest du Stefan danach noch weiter beobachten, Julia?“
„Nee, nach dieser Beobachtung habe ich zunächst wieder ein wenig getanzt und mich dann hemmungslos besoff…“ Als die 16-Jährige den geschockten Blick ihres Vaters auf sich ruhen spürte, verstummte sie. Kurz darauf flunkerte sie schamlos: „Danach habe ich mich mit Jassi unterhalten und nicht mehr viel mitbekommen.“
„Sagen dir die Ziffern 1, 0 und 8 etwas? Oder die Buchstaben H, B und S?“
„Nein.“
„Bist du dir ganz sicher?“
„Ja.“
„Können Sie etwas mit diesen -“, richtete Nora die Frage an Franz, der sie jedoch rüde unterbrach: „Nein, ich kann damit auch nichts anfangen. Reicht das jetzt?!“
„Nur noch einen Augenblick. Können Sie uns sagen, wo Sie am Abend der Feier gewesen sind?“
„Ich?“, fragte Franz in einem mehr als überraschten Tonfall. „Wieso wollen Sie das wissen? Denken Sie etwa, dass ich etwas mit dem Mord an dieser Gabriella zu tun habe? Oder sogar mit den anderen Taten? Das ist lachhaft! Ich bin am Freitagabend zuhause gewesen. Genau hier.“ Er stampfte auf den Boden.
Gleichzeitig sah Nora, dass Julia ihren Blick reflexartig abwandte. Sichtbar bemüht, sich einen bestimmten Kommentar zu verkneifen, starrte sie auf den Fernseher.
„Kann das jemand bestätigen?“, wollte Tommy derweil von Franz wissen.
„Nein. Meine Frau war zu diesem Zeitpunkt nicht bei mir. Sie war bei Bekannten.“
Jetzt biss Julia sich heftig auf die Unterlippe.
„Ist alles in Ordnung, Julia?“, fragte Nora sie schließlich. „Möchtest du uns etwas sagen?“
„Wie bitte? Äh, nein, warum sollte etwas nicht in Ordnung sein? Es ist alles bestens. Wie es sich für eine heile Familie gehört, nicht wahr, Vater ?“ Sie fauchte das letzte Wort in Franz’ Richtung. Dann stand sie energisch auf und raste auf ihr Zimmer zu.
„Sei nicht so frech, kleines Fräulein! Was sollte das denn gerade heißen, hm?“, wollte Franz von ihr wissen.
„Das weißt du sehr gut!“
Franz sah die Ermittler an. „Ich habe keine Idee, wovon meine Tochter spricht. Mensch, da schuftet man jahrzehntelang als einfacher Schweißer in einer Fabrik, um dem Kind ein gutes Leben zu ermöglichen, und das ist dann der Dank dafür! Komm gefälligst wieder zurück!“, schrie er Julia hinterher.
Doch die Jugendliche leistete seiner Aufforderung nicht Folge. Sie warf ihm lediglich einen vernichtenden Blick über ihre Schulter zu. Dann schleuderte sie ihre Zimmertür hinter sich in die Angeln.
Nora eilte hinter ihr her. Während sie Julias Zimmer betrat, schimpfte Franz: „Das ist nicht zu fassen! Was bildet die Kleine sich eigentlich ein? So ein freches Verhalten dulde ich nicht in meiner Wohnung!“
„Herr Bartel, gibt es nicht vielleicht doch etwas, das Sie uns noch mitteilen möchten?“, fragte
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