Rache der Königin
Bett, das beinahe sein Sterbebett geworden wäre,
nacheinander die beiden Königinnen, die ihn mit der Frage bedrängen, ob er endlich nun den Kardinal entlassen werde. Er bejaht,
oder vielmehr gibt er vor, es zu bejahen. Aber um Richelieu wegzuschicken, sagt er zu der einen, müsse er warten, bis der
Frieden mit Spanien unterzeichnet sei. Um Richelieu loszuwerden, sagt er zu der anderen, müsse er erst wieder in Paris sein.
Beide Königinnen nehmen diese ausweichenden Antworten für bare Münze und verlassen strahlend die Szene.
Der zweite Akt der »Geprellten« spielt sich zu Paris ab, im Petit-Luxembourg, wo die Königinmutter wohnt. Er wurde mir von
Fogacer berichtet, der am frühen Morgen hört, daß die Königinmutter dem Hof habe mitteilen lassen, daß sie bis Mittag niemanden
empfange außer dem König, weil sie am Tag zuvor Medizin genommen habe. Die Zocoli – denn sie ist die Überbringerin dieser
Nachricht – teilt Fogacer noch eine zweite, verwunderlichere mit: Sobald der König in den Mauern der Königinmutter eintreffe,
solle der Haushofmeister alle Türen des Palastes verriegeln. Die Zocoli setzt aber hinzu, daß sie für alle Fälle, sobald der
Majordomus durch den Palast gegangen sei, heimlich den Riegel der Tür zur kleinen Kapelle wieder öffnen werde. Nachdem Fogacer
der Zocoli Absolution erteilt hat, eilt sie, weil ich nicht erreichbar bin, zu Herrn von Guron, der flugs den Kardinal benachrichtigt.
Leser, nun stelle dir vor, wie der Kardinal die beunruhigenden Meldungen der Spionin aufnimmt, nach denen die Königinmutter
den König am nächsten Tag einzuschließen gedenkt, um ihm die Leviten zu lesen. Erinnere dich bitte, daß ich sagte, alles bei
Richelieu sei übergroß, die Empfindlichkeit wie das Genie. Um kleine Ursachen – wie den Nasenstüber, den der König ihm zu
Nîmes versetzt hatte – erblaßt er, zittert, vergießt Tränen, doch das dauert nicht. Bald strafft sich Richelieu, wird wieder
Herr seiner Seele und handelt nach reiflicher Überlegung mit gewohnter Energie.
Im Augenblick freilich fällt ihm jede Überlegung schwer, denn Vernunft und Erregung stoßen hart gegeneinander: Soll und darf
er sich in das Vieraugengespräch der Königinmutter und des Königs einschalten? Materiell kann er es gewiß, die |214| kleine Tür zur Kapelle wird dank der Zocoli offen sein. Aber darf er in ein privates Gespräch zwischen dem König und der Königin
einbrechen? Zieht er damit nicht Ludwigs Bannstrahl auf sich?
Andererseits, wird die Königin, die so Geheimes vorhat, die Situation nicht nutzen, um dem König wilde Verleumdungen über
Richelieu und seine Verwandten vorzutragen, wenn er nicht zugegen sein kann, um sich zu verteidigen? Schon am Tag zuvor hat
sie alle seine Angehörigen entlassen, die Richelieu in verschiedenen Stellungen ihres Palastes untergebracht hatte, und sich
besonders gegen Madame de Combalet erbittert, der sie so ausgefallene Pläne unterstellte, wie den Grafen von Soissons heiraten
zu wollen, der, nachdem er den König und Gaston vergiftet hätte, König von Frankreich werden solle und die Combalet Königin
von Frankreich.
Weiß Gott, wie dieser Unsinn sich im armen Hirn der Königinmutter hat einnisten können, doch nun glaubt sie dran wie ans Evangelium.
War es nicht schon sehr demütigend für Richelieu, daß der König in Lyon beiden Königinnen seine Entlassung zugesagt hat? Seit
ihrer Rückkehr nach Paris haben sie die Neuigkeit rings um sich verbreitet und jedem erstbesten ausgeplappert, so daß besagte
Entlassung jetzt beim ganzen Hof herum ist und jederzeit erwartet wird. Richelieu merkt es zu jeder Stunde, an jedem Ort,
die Höflinge geben sich gegenüber dem Minister, als stünden »außerordentliche Veränderungen« unmittelbar bevor. Das »außerordentlich«,
ein Ausdruck von Richelieu selbst, bedarf keiner Erläuterung. Richelieu ist niedergeschmettert.
Diese Entlassung disputieren die Königinmutter und der König also zur Stunde hinter verschlossenen Türen, und für Richelieu
ist die Versuchung groß, sich einzumischen. Aber groß sind auch die Gefahren. Ludwig hält ehern auf die Etikette. Er verlangt
von seiner Entourage beständigen und kleinlichen Respekt. Er duldet nicht, daß man in seiner Gegenwart zu laut spricht, und
schon gar nicht, daß man zankt oder schreit oder ungehörige und vulgäre Wörter gebraucht.
Nachdem er die Gefahren sorgfältig erwogen hat, entschließt sich der
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