Rache der Königin
nicht töten würde?« fragte sie.
»Doch, doch! Nicht nur, daß ich ja immer gut bewacht bin, würde man es auch nicht wagen, Hand an den Patensohn der Herzogin
von Guise zu legen.«
»Noch eine Frage.«
»Die letzte?«
»Ich schwöre es bei meiner heiligen Namenspatronin! Wird die Kabale gegen den Kardinal weitergehen, wenn der Frieden in greifbare
Nähe rückt?«
»Mehr denn je, meine Liebe, so widersinnig es ist! Denn diesen Köpfen geht jegliche Vernunft ab.«
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|211| ELFTES KAPITEL
»Schöne Leserin, auf ein Wort, bitte!«
»Wie denn, Monsieur? Jetzt sprechen Sie mich an? Das ist neu. Was für ein kurioser Rollentausch! Wo drückt Sie der Schuh?«
»Wenn ich sehe, Madame, wie eifrig Sie einen Band meiner Memoiren nach dem anderen lesen, wüßte ich doch zu gern, was Sie
über Ludwig denken.«
»Ehrlich gesagt, nicht viel Gutes. Seine Abneigung gegen Frauen, der verspätete ›Vollzug‹ seiner Ehe, die Tatsache, daß er
lieber mit seinen Favoriten lebte als mit seiner Gemahlin, sein verschlossener und schwieriger Charakter, all das hat ihn
mir nicht eben liebenswert gemacht. Außerdem meinte ich, bei ihm einen Hang zur Bosheit zu erkennen, Sie sprachen davon, daß
er die Leute, die er strafen wollte, ›tantalisierte‹, indem er sie durch Hinhalten glauben machte, sie könnten seinem Zorn
entgehen. Ist das nicht etwas seltsam bei einem christlichsten König? Wie erklären Sie dieses Raffinement im Strafen?«
»Aus seiner Jugend, Madame, seiner durch seine Mutter und die Concinis unerträglich bedrückten Jugend. Damals lernte Ludwig
warten, schweigen, nochmals warten und seinen Groll nähren, bis er mit sechzehn Jahren, nachdem er seine Anhänger sorgsam
ausgewählt und mit Meisterhand ein Komplott geschmiedet hatte, überraschend und hart zuschlug. Die Concinis mußten sterben,
seine Mutter in die Verbannung gehen. Und trotzdem heißt es bei den Hetzern vom Hof bis heute, er sei schwach, weich, ein
Zauderer, eine Puppe in Richelieus Händen.«
»Wenn ich Sie recht verstehe, Monsieur, hat sich Ludwigs Gewohnheit, zu schweigen und die anderen hinzuhalten, mit der Zeit
zu einer Regierungsmethode entwickelt. Er beschwichtigt seine Feinde durch Schweigen oder durch falsche Versprechen, und im
gegebenen Moment, wenn sie schon glaubten, die Partie gewonnen zu haben, greift er durch. Demnach kann ich |212| mich im folgenden wohl auf dramatische Dinge gefaßt machen?«
»In der Tat. Es handelt sich um nichts weniger als eine Palastrevolution, die ein Scherzbold vom Hof als ›la journée des dupes‹,
den ›Tag der Geprellten‹, bezeichnet hat, ein so treffender Ausdruck, daß er in die Geschichte einging.«
»Und wer waren diese Geprellten?«
»Die Königinmutter, Marillac und einige andere.«
»Und wer war es, der sie prellte?«
»Wer wenn nicht der König?«
»Der König?«
»Ja, Madame, der König! Ludwig ist viel eher ein Machiavelli denn ein passives Werkzeug in Richelieus Händen.«
»Prellerei, Monsieur, ist aber kein sehr appetitliches Verfahren.«
»Gemach! Sie haben recht, wenn die Geprellten gute und ehrenwerte Leute sind. Handelt es sich jedoch um eine Kabale, die sich
verräterisch und aufsässig gegen ihren König richtet, die das Vaterland schwächt und kein anderes Ziel hat, als einen großen
Staatsdiener zu vernichten, damit man Frankreich zum Vasallen Spaniens machen und nun in ganz Europa eine blutige Bartholomäusnacht
gegen die Protestanten veranstalten kann, dann, Madame, ist solch ein Mittel erlaubt.«
***
Der »Tag der Geprellten« war der zehnte oder elfte November. Auch hier vermag die Geschichte das Datum nicht exakt zu benennen.
Und ich kann es ebensowenig, weil ich ein paar Tage in Orbieu war, wohin Monsieur de Saint-Clair mich gerufen hatte, damit
ich mit eigenen Augen sähe, welche Schäden ein Brand in den Pferdeställen verursacht hatte. So erfuhr ich die Ereignisse denn,
als ich kurz darauf nach Paris zurückkehrte, vom Domherrn Fogacer, der ja immer glänzend informiert war. Doch wie hätte es
auch anders sein können, da er im Dienst des Nuntius Bagni und mithin des Papstes stand?
Im übrigen nahm Fogacer, wie sich der Leser erinnern wird, den Spionen des Kardinals die Beichte ab, aus deren profanem Teil
ich den Honig gewann, mit dem ich den Kardinal fütterte.
Der erste Akt der »Geprellten« hatte sich, wie man sah, zu |213| Lyon abgespielt: Der genesende, aber noch schwache Ludwig empfängt an dem
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