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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Kardinal. Er überschreitet den Rubikon. Zweifellos wird
     sein Eindringen in ein Gespräch des Königs mit seiner Mutter bei Ludwig Empörung auslösen. Doch weiß Ludwig |215| Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Wird diese eine Verletzung der Etikette ihn vergessen lassen, welche immensen
     Dienste der Kardinal ihm so viele Jahre geleistet und für die Ludwig ihm auch ohne Knauserei Dankbarkeit und Zuneigung bezeugt
     hat? Was die Königinmutter betrifft, so ist vorauszusehen, daß sie gegen Richelieu auf ihre Weise mit Heftigkeiten, Beschimpfungen
     und Anklagen losbrechen wird, auf die er, demütig, ergeben und ehrerbietig, ohnehin nichts erwidern darf. Und wenn sie dann
     die Beherrschung verliert und mit schimpflichen Worten seine Entlassung fordert, um so besser: Ludwig erträgt Bevormundungen
     nicht.
    Ich denke, der Kardinal wird, in makelloser Soutane wie stets, nicht ohne heftiges Herzklopfen durch die entriegelte Tür der
     kleinen Kapelle eingetreten sein. Als Oberaufseher des Hauses der Königinmutter kannte er jeden im Palast und gelangte ungehindert
     zu dem Salon, wo Mutter und Sohn sich im Gespräch befanden.
    Der König ist allein gekommen, die Königinmutter hat nur zwei oder drei Kammerfrauen um sich, die aber in ihren Augen nicht
     existieren, womit sie sich sehr täuscht, denn eine davon ist die Zocoli, und ihr ist es zu verdanken, daß man erfahren hat,
     was an jenem Tag geschah, zumal sie als Frau eines Italieners das Kauderwelsch der Königinmutter sehr wohl verstand.
    Als Richelieu den Salon betrat, wo die Begegnung statthatte, zeigte sich der König stark verärgert, daß der Kardinal sich
     ungerufen in sein Vieraugengespräch mit der Königinmutter einmischte. Weil er jedoch nicht wußte, daß sie befohlen hatte,
     alle Türen zu verriegeln, war er nicht weiter erstaunt, ihn zu sehen. Die Königinmutter hingegen war regelrecht sprachlos
     über dieses Erscheinen und mag sich in ihrer Einfalt gefragt haben, ob Richelieu etwa wie der Teufel die Kunst beherrsche,
     durch Mauern zu gehen.
    Richelieu grüßte nacheinander mit tiefer Verneigung den König und die Königin, worauf ein längeres Schweigen eintrat. Der
     König wahrte, ohne einen Ton zu äußern, seine mißbilligende Miene, die Königin aber, hochrot im Gesicht, mit flammenden Augen,
     hochgehendem Busen, schien an dem Punkt, zu platzen.
    »Ich bin fast sicher«, sagte in heiterem Ton Richelieu, »daß Eure Majestäten über mich gesprochen haben.«
    |216| Kann sein, die Königinmutter hätte diese Intervention besser ertragen, wenn Richelieu mit dem ernsten Pomp eines spanischen
     Ministers gesprochen hätte. Der lockere Ton aber, den er gebrauchte, brachte sie vollends aus der Fassung, so daß sie ihrem
     Zorn freien Lauf ließ – und ich kann es nur wiederholen, wer die Königinmutter nicht in Wut gesehen hat, der hat nichts gesehen.
    Zuerst plusterte sie sich wie eine Gans, die zum Angriff startet, dann sprudelte sie los, dabei rang sie Arme und Hände, raufte
     sich die Haare, knüpfte sogar ihr Mieder auf, während sie eine Sturzflut von Wörtern erschallen ließ, der kein Mensch gewachsen
     war. Sogar Henri Quatre, dem doch ein Organ zu Gebote stand, sich einem ganzen Heer mitzuteilen, hat nie vermocht, seine Gemahlin
     zum Schweigen zu bringen, wenn sie einmal im Zuge war. Und während sie schrie und gestikulierte, geriet sie gleichzeitig in
     immer stärkere Erregung, dicke Schweißtropfen liefen ihr übers Gesicht und zogen häßliche Spuren in ihre Schminke.
    »Ebbene, sì! Noi parliamo di te!«
1 schrie sie aus Leibeskräften .
    »Madame, Ihr seid Königin von Frankreich«, sagte der König, »sprecht bitte Französisch und duzt nicht den Herrn Kardinal.«
    Doch Ludwig begriff sofort, er hätte ebensogut versuchen können, einen Sturzbach mit einem Kiesel aufzuhalten.
    »Ebbene sì! Noi parliamo di te come del più ingrato e più cattivo degli uomini!«
2
    »Madame, was tut Ihr?« sagte der König. »Ein Streit in meiner Gegenwart!«
    »È vero tu mi devi tutto, miserabile! La tua situazione, il tuo potere, la tua fortuna. Io ti ho dato più di un milione d’oro!«
3
    »Madame«, sagte Ludwig, »es ziemt sich nicht, an die eigenen Wohltaten zu erinnern.«
    »Aber was habe ich denn getan, Madame?« sagte mit bebender Stimme Richelieu, und Tränen rollten über seine Wangen.
    |217|
»Tu mi hai tradito! Traditore! Perfido! Furbo! Brigante!«
1 »Aber Madame, Madame!« sagte der König. »Was macht Ihr?

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