Rache der Königin
Ludwig seine Mutter nicht; dagegen liebt er seinen Vater über alles. Seine Feldzüge, seine Siege kennt er auswendig. |40| Immer hat er sich gewünscht, ihm gleich zu werden. Und plötzlich, weil er La Rochelle mit Erfolg belagert hat, eröffnet sich
ihm diese berauschende Möglichkeit. Er wird siegen, weil er La Rochelle besiegt hat; doch wird er dabei nicht stehenbleiben,
sondern seinen Waffenruhm noch vermehren. Er wird, wenn das Landesinteresse es erfordert, ein Soldatenkönig sein wie sein
Vater, wird trotz Winter und Schnee an der Spitze seiner Armeen aufbrechen, heldenmütig die Alpen überschreiten und Casale
befreien.«
Im Königlichen Rat wird nicht abgestimmt, der König hört die verschiedenen Meinungen, dann wählt er aus und entscheidet. An
diesem sechsundzwanzigsten Dezember entscheidet er im erwähnten Sinn, aber so schnell, daß Richelieu in Sorge gerät, es könnte
auf die Räte wirken, als stürze er sich überhastet in die gefährliche Unternehmung. Nachdem er den König in ebendiese Richtung
gedrängt hat, will er ihn in letzter Sekunde bremsen, vielmehr vorgeben, ihn zu bremsen: Er bittet ihn, sich mit seiner Entscheidung
drei Tage Bedenkzeit zu lassen. So legt er ohne großen Aufwand die Handschuhe der Vorsicht an, weil er genau weiß – denn er
kennt Ludwig und seine eherne Entschlossenheit –, daß der seine Entscheidung nicht mehr umstoßen wird.
Wie der Leser weiß, bin ich wahrlich kein Soldat. Ich diene Ludwig, wie mein Vater Henri IV. gedient hat, und erfülle die
unterschiedlichsten Missionen, meistens diplomatische, oft geheime, seltener gefährliche, wie es gleichwohl einmal während
der Belagerung La Rochelles ein nächtlicher Marsch durch die Sümpfe war, um das Maubec-Tor auszukundschaften, ein um so unheimlicheres
Abenteuer, als ich es in der alleinigen Gesellschaft des
più emerito furfante della creazione
bestehen mußte, wie die Königinmutter gesagt hätte.
Deshalb hatte ich im Traum nicht erwartet, daß Ludwig mich auffordern würde, ihn nach Italien zu begleiten. Als Grund geruhte
er zu nennen, daß ich ihm wegen meines guten Italienisch bei Verhandlungen mit dem Herzog von Savoyen kostbar sein könnte,
der, wie er fürchte, ihm den Marsch durch sein Land nach Casale aus Angst vor den Spaniern in Mailand verweigern werde.
|41| Zurück in der Rue des Bourbons, fand ich zu meiner Überraschung dort Nicolas, der mit dem Ende der Belagerung von La Rochelle
seinen Junkerdienst bei mir hatte einstellen und zu den Königlichen Musketieren einrücken müssen, wie es von Anfang an für
ihn vorgesehen war. Sein älterer Bruder, Monsieur de Clérac, war einer der Hauptleute dieses berühmten Korps.
Ich freute mich sehr, ihn wiederzusehen, und umarmte ihn herzlich, was er ungescheut erwiderte, sah er mich doch als den Lehrherrn
und Mentor seiner grünen Jahre an und brachte mir, weil er ohne Vater aufgewachsen war, etwas wie kindliche Dankbarkeit entgegen.
»Nicolas«, sagte ich, »wie schön du bist als Musketier! Aber sag, wie kommst du hierher, wo deine Kameraden schon im Quartier
festsitzen, ihre Uniformen und Waffen putzen und ihre Pferde striegeln müssen, um mit Ludwig nach Italien zu ziehen?«
»Monseigneur, ich bin hier auf Befehl Seiner Majestät.«
»Und was will der König?«
»Er fürchtet, Ihr könntet bis zur Abreise nach Italien keinen Nachfolger für mich finden, und damit Ihr auf der langen Reise
nicht ohne Junker seid, hat er mich für die Dauer des Feldzugs von den Musketieren für Euch freigestellt.«
»Ich bin unendlich gerührt!« sagte ich, »daß Ludwig bei allem, was es jetzt zu tun gibt, an meine Bequemlichkeit denkt. Und
es ist mir wirklich eine große Freude, Nicolas, dich in der kommenden Zeit an meiner Seite zu wissen. Denn ehrlich gesagt,
ich habe dich sehr vermißt. Doch eine Frage, Nicolas: Hast du Madame d’Orbieu gesagt, weshalb du hier bist?«
»Hätte ich es lieber verschweigen sollen?« fragte Nicolas zögernd.
»Im Gegenteil! Dann muß ich es ihr nicht sagen. Wie hat sie es aufgenommen?«
»Monseigneur, genauso, wie Ihr denkt.«
»Das heißt?«
»Mit Erschrecken und Tränen am Wimpernrand, die bestimmt noch viele Schwestern bekommen, wenn ich danach gehe, wie Henriette
aus demselben Grund weint.«
Und richtig, sowie Catherine mich erblickte, erhob sie sich von ihrem Lager, wo sie sich die Seele aus dem Leib geschluchzt
hatte, und umhalste mich, als wolle sie mich niemals
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