Rache der Königin
Lächeln auf, machte Richelieu mit
zärtlichstem Augenaufschlag eine graziöse Reverenz, und Richelieu erwiderte den Gruß auf das höflichste. Hierauf nahm der
Kardinal Platz und ergriff sofort die Initiative des Gesprächs. Zu meiner großen Überraschung bediente er sich dabei der Sprache
des Hofes.
»Madame«, sagte er, »Ihr habt, glaube ich, verlangt, mich zu sehen. Und gleich allen Galanen, die Eure wunderbare Schönheit
anzieht, folge ich Eurem Befehl.«
Bei einiger Überlegung fand ich, daß sich ein Tröpfchen Essig in diesen Honig mischte, denn man konnte darin eine pikante
Reminiszenz jenes Briefes sehen, in dem die Chevreuse von Châteauneuf unbedingten Gehorsam verlangte.
Ob sie diese Spitze gewahrte oder nicht, die Dame ließ es |332| sich nicht anmerken, und ohne an Charme und Demut nachzulassen, schaute sie aus großen blauen Augen auf Richelieu.
»Eminenz«, sagte sie mit trauriger, klangvoller Stimme, »ich bin nicht blind für die Gefahr, in die ich mich durch vorwitzige
kleine Intrigen selbst gebracht habe, die weder meinem Alter noch meinem Geschlecht entsprechen. Ich bekenne Euch, daß ich
tief verstört bin bei der Vorstellung, daß mich jetzt eine so schreckliche Strafe treffen könnte, wie Seine Majestät sie seinem
Siegelbewahrer auferlegt hat.«
»Allerdings, Madame«, sagte Richelieu ernst, »habt Ihr Seiner Majestät einige schlechte Dienste erwiesen, die dem Staat überaus
hätten schaden können, wäre Majestät nicht so wachsam gewesen. Doch seid beruhigt, was Euch angeht, so hat der König noch
nichts entschieden.«
»Das beruhigt mich in keiner Weise«, sagte die Chevreuse mit einer kleinen Schmollmiene, die ich ganz reizend fand.
Zu meinem Pech fand ich sie reizend, denn meine Catherine bemerkte es blitzschnell, und das verhieß nichts Gutes für unseren
abendlichen Kopfkissenplausch.
»Indessen, Eminenz«, fuhr die Chevreuse fort, »kann die Indiskretion, die Ihr mir vorwerfen könnt, zweierlei Richtungen nehmen.
Ich bin sowohl in der Lage, Euch jetzt eine Lothringen betreffende Information von großer und gefährlicher Tragweite für König
und Reich zu enthüllen, als ich auch bewirken kann, diese Gefahr im Keim zu ersticken.«
»Madame«, sagte Richelieu mit einer Vorsicht, als bewegte er sich auf vermintem Gelände, »daß wir einander zunächst recht
verstehen: Wenn ich Euch hier anzuhören bereit bin, heißt das nicht, daß ich einen Handel mit Euch schließen und etwas zu
Euren Gunsten tun kann. Der König allein wird über Euer Los entscheiden. Aber vielleicht ist Seine Majestät in der Tat nachsichtiger
gegen Euch, wenn Ihr Eure üblen Dienste durch einen Dienst von großer Tragweite beschließen würdet.«
»Eminenz«, sagte die Chevreuse, »auch wenn Eure Bedingungen mich ein wenig hart dünken, muß ich sie ja wohl akzeptieren. Hier
zuerst meine Information: Ich weiß aus absolut sicherer Quelle, daß Karl IV. von Lothringen im Begriff steht, eine starke
Armee zur Rückeroberung aller Städte auszuschicken, die Ludwig ihm genommen hat. Ihr lächelt, Eminenz, aber bitte hört mir
weiter zu. Ich komme zum Wesentlichen. |333| Für den Fall, daß Karl damit scheitern sollte, hat er das formelle Versprechen des Kaisers von Österreich, Truppen zur Unterstützung
seiner Armeen nach Lothringen zu entsenden.«
Schweigen trat ein, und obgleich Richelieus Gesicht undurchdringlich blieb, erkannte ich in seinen Zügen etwas wie Unwillen,
so als sei er, der das Geheimnis natürlich schon kannte, das die Chevreuse ihm da »enthüllte«, erstaunt, daß auch sie es wußte,
obwohl sie von früh bis spät überwacht wurde, obwohl man ihre Post öffnete und jeden ihrer Besucher verfolgte und identifizierte.
»Madame«, sagte er nach kurzem, »denkt Ihr wahrhaftig, daß Ihr Karl IV. überzeugen könnt, auf sein kriegerisches Projekt zu
verzichten?«
»Eminenz«, erwiderte sie mit verblüffender Unverschämtheit, »nicht allein, daß ich mir sicher bin, den Herzog zur Umkehr bewegen
zu können, denke ich sogar, daß ich die einzige bin, die es kann.«
Sollte man in diesem Zusammenhang von Unverschämtheit reden oder von Schamlosigkeit, das fragte ich mich, und ich sah Richelieus
Gesicht an, daß auch er es sich fragte, war er doch allzu geneigt, in jeder Frau, und besonders in dieser, nur ein Gefäß der
Sünden zu sehen. Allerdings zeigten Augen, Mund und Stimme der Chevreuse sowie eine Art Wallung, die ihren Körper
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