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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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loslassen, |42| und all das ohne ein Wort und indem sie meine Brust mit Tränen netzte. Diese Umarmung dauerte eine volle Minute. Hierauf löste
     sie sich und trocknete mit einem bestickten Tüchlein ihre Augen.
    »Monsieur«, sagte sie, sich gerade aufrichtend, mit mehr Zorn als Kummer, »Ihr seid abscheulich! Kaum habt Ihr mich geheiratet,
     da laßt Ihr mich schon im Stich.«
    »Liebste«, sagte ich, betroffen über ihren Ton, »ich lasse Euch doch nicht im Stich. Der König hat mir befohlen, ihm auf seinem
     italienischen Feldzug zu folgen. Könnt Ihr mir vorwerfen, daß ich ihm gehorche?«
    »Aber Ihr seid kein Soldat!«
    »Ich begleite Seine Majestät als Dolmetsch des Italienischen und als Diplomat.«
    »Glaubt Ihr«, sagte sie, »daß eine feindliche Kugel zwischen Soldat und Dolmetsch unterscheidet?«
    »Liebste, besagte Kugel braucht nicht zu unterscheiden. Ich werde mich nicht an Orte begeben, wo Angriffe stattfinden.«
    »Monsieur«, fragte sie übergangslos, »sagtet Ihr nicht einmal, Ihr hättet die fremden Sprachen, die Ihr kennt, im Umgang mit
     schönen Frauen gelernt?«
    »So ist es.«
    »Wäre es unmöglich, Monsieur«, sagte sie mit gefährlichem Glitzern in den Goldaugen, »daß Ihr, weit, sehr weit von mir, in
     Italien versucht wäret, Euer Italienisch in weiblichem Umgang zu vervollkommnen?«
    »Madame, dazu werde ich weder Gelegenheit noch Lust haben.«
    »Aber wenn Ihr Gelegenheit hättet, hättet Ihr Lust?«
    »Nein, Madame! Ihr verdreht mir die Worte im Mund. Mein Satz sollte ausdrücken: Auch wenn ich Gelegenheit bekäme, hätte ich
     keine Lust.«
    »Aber bekommt Ihr Gelegenheit?«
    »Es hat gar nichts zu sagen, Madame, ob ich Gelegenheit bekomme, weil ich keine Lust haben werde.«
    Doch verfing diese unabweisliche Logik nicht bei Catherine.
    »Ihr müßt zugeben, Monsieur, daß Euer Satz etwas unglücklich war.«
    »Unglücklich war er nur für Ohren, die nicht verstehen wollten, was er besagte.«
    |43| »Monsieur!« rief sie aufgebracht, »wie redet Ihr mit mir?«
    »Meine Liebe«, sagte ich sanft und ernst, »wenn mein Ton und meine Worte Euch irgend Anlaß boten, mich für ungehörig zu halten,
     so bitte ich aus ganzem Herzen um Verzeihung.«
    Leser, diese Methode kann ich wirklich nur empfehlen: Wenn eine Dame dich in einem Streit hart angeht, bitte du sie um Vergebung.
     Sie wird dir Dank wissen, daß du sie um eben die Entschuldigung bittest, die sie an dich hätte richten müssen.
    Tatsächlich legte sich der Sturm, der Blick meiner Schönen besänftigte sich, ihr Ton wurde wieder lieb und weiblich.
    »Ach, mein Freund!« sagte sie, »verzeiht meiner närrischen Phantasie, aber seit ich zu meinem Schmerz von Eurem Aufbruch hörte,
     sah ich Euch verwundet, treulos oder tot.«
    Zwischen diesen drei Möglichkeiten vor die Wahl gestellt, hätte ich wohl die zweite bevorzugt, doch wäre dies, hätte ich es
     geäußert, ebenso übel aufgenommen worden wie der wirklich unglückliche Satz von »der Gelegenheit und der Lust«. So schwieg
     ich weislich.
    In den Tagen bis zu meinem Aufbruch und auch danach bemühte ich mich, Catherine zu überzeugen, daß dieser Feldzug keine Gefahr
     für mich bedeuten werde. Doch hütete ich mich vor jedem Treueversprechen, denn gerade das hätte ihre Zweifel erregt. Gleichwohl
     gelobte ich mir im stillen eherne Treue und wappnete mich so im voraus gegen die Reize der italienischen Weiblichkeit.
    Obwohl niemand weiß, wie man Abwesenheiten und Unbequemlichkeiten messen soll, litt ich unter unserer Trennung nicht weniger
     als Catherine, und trotz der neuen und interessanten Dinge, die ich im schönen Italien zu sehen hoffte, fand ich, sobald auf
     dem Feldzug der Tag der Nacht wich und ich mein einsames Lager aufsuchte, mein Leben fade, dumm, sinnlos und mir selber fremd.
    Vor meinem Fortgehen versuchte ich Catherine, so gut ich konnte, vor den Unannehmlichkeiten und Gefahren des Alleinseins zu
     bewahren. Nicht grundlos vermißte sie ja ihr schönes Nantes, wo Himmel und Erde immer wieder durch eine frische Brise vom
     Meer blank gefegt wurden. Paris war für sie ein schmutziger, stinkender Moloch von Stadt, die Gassen voller Kot und von so
     vielen Kutschen, Karossen, Sänften, Reitern und Fußgängern verstopft, daß jeder nur im Schrittempo und unter |44| stetem Gebrüll, Gezänk und dem Peitschenknallen der Kutscher vorwärts kam. Dazu wurden diese Gassen bei Nacht durch Banden
     verunsichert, Börsenschneider, Raubmörder, Vergewaltiger, die

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