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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Rochelle kommend, in Grenoble zu uns stieß, der liebenswerte junge Graf Sault und schließlich
     ich, den ich dich als Barden dieser Geschichte zu akzeptieren bitte. Und nun ist es wirklich Zeit, dreimal mit dem Stab aufzustoßen:
     Nehme denn das Drama im wundervollen Dekor der Savoyer Alpen seinen Lauf – ein Drama, das natürlich auch komische Momente
     hatte und aus dem sich vielleicht sogar Lehren ziehen ließen. Wovor ich mich aber hüten werde, das gehört nicht zu meiner
     Rolle.

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    |53| DRITTES KAPITEL
    Der König, der Kardinal, besagte vier Marschälle und die Italienarmee, bestehend aus dreißigtausend Fußsoldaten und fünftausend
     Reitern, verließen am fünfzehnten Januar Paris und erreichten am fünfzehnten Februar Grenoble. Leser, vielleicht willst du
     mir jetzt sagen, in einunddreißig Tagen hundertzweiundvierzig Meilen 1 , also knappe fünf Meilen pro Tag, zurückzulegen , das sei kein Kunststück. Ha, für Kavallerie und Karossen, ja! Aber für die marschierenden Soldaten war es heroisch! Vor
     allem in der Frühe, wenn es mit geschwollenen Füßen wieder in die Stiefel fahren hieß und die schwere Muskete schultern und
     weiter die endlose Straße marschieren, wo einem der eisige Wind mit tausend Nadelstichen ins Gesicht schlug.
    Zelte und Piken waren, Gott sei Dank, samt dem Proviant auf den Karren verstaut, doch welch mühseliges Vorwärtskommen war
     das für die Karren, auch für die Karossen übrigens, auf den schlecht gepflasterten Straßen des Königreichs! Wie oft brachen
     Räder oder Achsen, und dann hieß es mit steifgefrorenen Fingern reparieren. In den Städten fehlte es an Raum, so viele Menschen
     unterzubringen, so mußten am Abend die Zelte aufgeschlagen und im Morgengrauen wieder abgebrochen werden, was viel Zeit kostete,
     ganz zu schweigen von den notwendigen Rasten, damit die Truppen Atem holen und etwas zu sich nehmen konnten. Mehrfach auf
     dem langen Marsch hörte ich, wie alte Soldaten, gebürtig aus den Schweizer Bergen, gewissermaßen zum Trost zu den Rekruten
     sagten: »Herrgott, Junge! Was jammerst du, bis jetzt geht es immer noch so gut wie auf ebener Erde! Warte nur, wenn es hinter
     Grenoble über die Pässe geht! Über den Lautaret! Durch Schnee bis zu den Knien!«
    Da mir kein Kommando oblag, konnte ich der Armee im Wagen nachfolgen. Gleichwohl ritt ich dann und wann meine Accla, um mich
     in Bewegung und sie in Fühlung mit mir zu |54| halten, so gut sie sich in Nicolas’ Obhut auch befand. Die Kälte schien sie in ihrem dichten Winterfell besser als ich zu
     ertragen, nicht aber den Wind, vor dem mich mein Kapuzenmantel schützte.
    Einige Meilen vor Grenoble kam ein Musketier des Kardinals zu meiner Karosse geprescht und meldete, daß Seine Eminenz mich
     beim nächstbevorstehenden Halt sprechen wolle. Wenn ich mein Pferd bestiege, sagte er, könne er mich leichter als im Wagen
     durch die endlose Truppenschlange geleiten, die über eine reichliche Meile die ganze Breite der Chaussee einnahm, weshalb
     denn auch Aufklärer weit vorauseilten und den zu Roß oder zu Fuß uns entgegenkommenden Leuten geboten, unseren Durchzug abzuwarten.
    In der Karosse des Kardinals umfing mich wohlige und tröstliche Wärme. Sie ging von etlichen Glutbecken aus, die am Kutschboden
     verteilt waren und ohne die die drei Sekretäre Eisfüße und infolgedessen zu starre Finger gehabt hätten, um abwechselnd nach
     Richelieus Diktat zu schreiben. Charpentier, den ich gut kannte, rückte beiseite, um mir seinen Platz neben dem Kardinal einzuräumen,
     und ich war heilfroh, daß ich meine Stiefel auf sein Wärmebecken stellen konnte.
    Diese Karosse war ersichtlich das Arbeitskabinett des Kardinals, von hier gingen seine Botschaften mit präzisen Instruktionen
     an alle Posten der Armee. Wenn ihn nicht Geholper hier und da daran erinnerte, konnte der Kardinal für mein Gefühl völlig
     vergessen, daß dieses Kabinett auf Rädern über Frankreichs Straßen rollte. Wer ihn nicht kannte, hätte ihn nach seinem hageren,
     dreieckigen Gesicht, seiner scharf gebogenen Nase und seinen tiefliegenden Augen für leidend gehalten. Doch dem war nicht
     so. Hinter seiner scheinbaren Zartheit steckten ungeahnte Kräfte. Und ebenso trog die ernste und angestrengte Miene, die ihm
     seine unablässige Arbeit verlieh. Daß er froh war, seit er Paris verlassen hatte, war gar kein Ausdruck: Er strahlte innerlich
     vor Befriedigung. Das kam daher, daß er nach dem großen Abenteuer, der

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