Rache der Königin
in welchem Grad du in einer Armee gedient hast, doch wirst du, auch wenn er bescheiden
war, die Rollen gerne einmal umkehren und diese vier Marschälle mit mir Revue passieren lassen.
Von den beiden ersten habe ich in den vorhergehenden Bänden meiner Memoiren schon erzählt, und wer sie gelesen hat, dem ist
es nichts Neues, was ich hier sage. Beginnen wir mit Schomberg, denn Tugend läßt sich in wenig Worte fassen: Schomberg war
tapfer, diszipliniert, kompetent, gewissenhaft und dem König so ehern treu wie seiner Frau. Es verdient bemerkt zu werden,
daß selbst der Hof (womit ich hier die Schwätzer und Schwätzerinnen meine, von denen es an diesem geschlossenen Ort geradezu
wimmelt) niemals irgend etwas zu seinem Nachteil zu sagen wußte.
Bassompierre hingegen, Sohn eines lothringischen Vaters und einer französischen Mutter, war eine erstaunliche Mischung großer
Vorzüge und nicht geringer Fehler; mag der Leser selbst entscheiden, welche davon französisch und welche germanisch waren.
Bassompierre war ein vielbelesener Mann, ohne deshalb ein Pedant zu sein. Er kannte das Waffenhandwerk aus dem Effeff. Dazu
war er lebenslustig, geschmeidig, geistreich, charmant und wurde nicht nur von zahllosen Frauen geliebt, sondern auch von
Henri Quatre, von der Königinmutter und von Ludwig XIII. Zu seinem Unglück überhob er sich nach seiner Heirat mit meiner Halbschwester,
der Prinzessin Conti, und tanzte unterm Einfluß der diabolischen Reifröcke, also namentlich der Herzogin von Chevreuse und
der Prinzessin Conti, so unbesonnen auf dem Seil der Fronde und der Untreue, ja des halben Verrats, daß Ludwig ihn schließlich
fallenließ und in die Bastille sperrte.
Der Marschall d’Estrées war – was schon fast alles besagt – der ältere Bruder der schönen Gabrielle d’Estrées, der Geliebten
von Henri Quatre. Er hatte noch fünf andere Schwestern, eine so unerträglich anmaßend und unverschämt wie die andere, wie
er selbst und Gabrielle, weshalb die Geschwister am Hof »die sieben Todsünden« hießen.
Zu Beginn des Italienfeldzugs war er zweiundfünfzig Jahre alt, aber quirlig, leichtsinnig und sprunghaft wie ein frisch vom |51| Collège de Clermont entlassener Jüngling, zugleich voll Dankbarkeit für seine jesuitischen Lehrer und herzlich froh, ihnen
entronnen zu sein.
Als einziger der vier Marschälle überquerte er auf diesem Feldzug nicht die Alpen. Ludwig beauftragte ihn, nach Nizza zu ziehen
und das Umland der Stadt zu verheeren: Auf diese Weise sollten die Truppen des Gouverneurs Felix von Savoyen an die Küste
gefesselt werden, damit sie nicht Susa zu Hilfe eilten, falls dessen Einnahme notwendig würde, um freien Marsch nach Casale
zu erlangen.
Marschall d’Estrées starb als fast Hundertjähriger, nämlich mit achtundneunzig Jahren, weshalb es am Hof hieß, daß Laster
anscheinend gesünder seien als die Tugend.
Créqui wiederum war von den Marschällen der einzige, der gut Italienisch sprach, denn um Henri Quatre dienen zu dürfen, hatte
er 1597 vom eigenen Geld ein Regiment aufgestellt und Karl Emmanuel I. von Savoyen drei Jahre lang, von 1597 bis 1600, bekriegt.
Zu tüchtig, um besiegt zu werden, war sein kleines Heer zu schwach zum Siegen. Wenigstens aber wurde Créqui die Genugtuung,
Philippe, den Halbbruder des Herzogs, der ihn herausgefordert hatte, im Duell zu töten.
Im übrigen gefiel ihm Italien. Dem
gentil sesso
1 ergeben, nutzte er seine Zeit und schlürfte in jeder Windstille nach einem Sturm die schöne, melodische Sprache von den Lippen einer
schönen Italienerin. Um diese Unterhaltungen zu ergänzen, tat er, was er in Frankreich selten getan: Er schlug ein Buch auf
und las. Es war Dantes »Commedia« und wurde seine Liebe.
Ludwig nahm Créqui mit nach Savoyen, weil er Land, Sitten und Sprache gut kannte. Obwohl nicht sehr gesund, ließ der Marschall
sich um so freudiger auf die Sache ein, als sein Sohn, Graf von Sault, dabei ein Regiment befehligte. Im Lauf des Feldzugs
teilte ich mit dem Grafen Prüfungen und Gefahren, fand ihn einen sehr ehrenhaften Mann, und wir wurden Freunde.
Leser, jetzt kennst du die Akteure dieses Feldzugs. Auf der einen Seite Karl Emmanuel I., Herzog von Savoyen, sein Sohn, Fürst
von Piemont (vermählt, wie du weißt, mit Christine von |52| Frankreich), und Don Gonzalo de Córdoba, der Casale belagert. Auf unserer Seite Ludwig, Richelieu, die vier Marschälle, der
Feldmeister Toiras, der, von La
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