Rache der Königin
Italien laufen und von dort nach Lust und Laune Ärger stiften, wer weiß, womöglich
sogar sich mit den Mailänder Spaniern verbünden.
Lebhaft, geistvoll, liebenswürdig, aber meist auf Tollheiten und Hanswurstiaden aus, nahm Gaston stets größere Bissen, als
er kauen konnte. Bei der Belagerung von La Rochelle wollte er unbedingt ein Kommando, fiel aber bei einem Ausfall töricht
aus seiner Generalsrolle und spielte in vorderster Linie den Helden. Schnell nun des Kriegspielens leid wie auch des flachen
Rochelaiser Landes mit seinen Sümpfen und seinem unwirtlichen Klima, verschwand er still und heimlich nach Paris, wo er sich,
fern dem Louvre und den mütterlichen Augen, auf weniger anstrengende Weise betätigte.
Eine Frau war für Gaston nur eine Frau, und so sehr liebte er Maria von Gonzaga nicht, daß er ihretwegen die Ungnade seines
Bruders und den Entzug von Geldern auf sich genommen hätte, die er um so nötiger brauchte, als sie ihm nur so durch die Finger
rannen. Also wollte er dem König einen ziemlich unappetitlichen Tausch anbieten: Für seinen Verzicht auf Maria von Gonzaga
sollte der König ihm den Befehl über die Italienarmee und fünfzigtausend Goldtaler für seine Reiterausstattung geben. Ganz
vergnügt war Gaston, mit seinen Räten dieses Geschäft ausgeknobelt zu haben, dessen Indezenz er nicht einmal bemerkte. Der
Kardinal war zugegen und ich an seiner Seite, als der König das schamlose Sendschreiben mit dem Vorschlag erhielt. So ernst
und streng der König sonst auch war – er mußte lachen.
»Fünfzigtausend Taler!« sagte er, »das ist teuer für eine Schabracke! Was meint Ihr, Herr Kardinal?«
»Sire«, sagte Richelieu ernst, »der Herr Herzog von Orléans ist dem Rang nach die zweite Persönlichkeit im Staat. Es ist ebenso
schwer, ihm diesen Befehl zu verweigern wie ihn zu gewähren.«
»Trotzdem werde ich ablehnen«, sagte Ludwig. »Aber wie? Das ist der Punkt. Denn ich sehe ein, daß Schonung geboten ist.«
»Sire«, sagte Richelieu, »die einzige höfliche Möglichkeit, Eurem Bruder den Oberbefehl zu verweigern, ist, daß Ihr selbst
ihn übernehmt.«
»Das war mein Vorsatz«, sagte Ludwig, sehr froh, zu einer |49| Entscheidung gedrängt worden zu sein, die er ohnehin im Auge gehabt, ohne daß er sie schon hatte bekanntgeben wollen.
»Indessen könntet Ihr«, sagte Richelieu, »den Herrn Herzog von Orléans bitten, auf diesem Feldzug Euer glanzvoller Stellvertreter
zu sein.«
»Ich weiß nicht, ob ich das tun sollte«, sagte Ludwig seufzend. »Er könnte akzeptieren.«
Worauf der Kardinal sich ein stilles Lächeln genehmigte, ich mir ebenfalls, Ludwig aber ein volles Lachen. Es muß ein gottgesegneter
Tag gewesen sein und Ludwig sehr glücklich bei dem Gedanken, wieder ein Soldatenkönig zu werden, daß er zweimal lachte an
ein und demselben Tag.
»Sire«, sagte Richelieu, »seid ohne Sorge, daß der Herr Herzog von Orléans das Angebot annimmt. Wenn, wie ich glaube, dieser
Italienfeldzug Euren Ruhm vollenden wird, wird der Herr Herzog von Orléans sich mit dessen fahlem Abglanz nicht begnügen wollen.«
Und wirklich hörte der Kardinal tags darauf von seinen Spionen, daß Gaston die Idee, am Italienfeldzug teilzunehmen, schon
verworfen hatte. Seine Gegenwart, hatte er gesagt, wäre überflüssig, weil Richelieu den König begleiten, mithin sowieso alles
wissen und alles machen werde … Kein unscharfer Pfeil, geeignet, den älteren Bruder ebenso zu treffen wie den Kardinal.
»Alles wissen werde ich nicht«, sagte Richelieu, als er mir die boshaften Worte wiedergab, »aber ich werde alles tun, was
ich kann, im dunkeln und ohne Ruhm, um Fourage und Munition, Etappenaufenthalte und Soldzahlungen zu organisieren.«
Und das, Leser, bedeutete eine übermenschliche Aufgabe, die von den königlichen Intendanten bisher wenig befriedigend, außer
für ihren eigenen Beutel, versehen worden war.
***
Am fünfzehnten Januar 1629 brach Ludwig mit dreißigtausend Mann Fußvolk und fünftausend Reitern von Paris gen Italien auf:
eine sehr große Armee, wie man sieht, ebenso groß wie diejenige, die er 1627 vor La Rochelle eingesetzt hatte, um den Gegner
allein schon durch die Zahl in Schrecken zu setzen.
Um diese Armee zu befehligen, nahm Ludwig neben dem |50| Kardinal – in ebender besagten demütigen, aber höchst entscheidenden Rolle – vier Marschälle mit: Schomberg, Bassompierre,
d’Estrées und Créqui. Leser, ich weiß nicht,
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