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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Soldaten. Die Südflanke der Barrikaden
     lag kahl und bloß. Ohne einen Schuß Pulver verschossen zu haben, waren wir die Herren der Höhe und sahen alles, ohne gesehen
     zu werden.
    Mir schien sogar, daß die Soldaten innerhalb der drei gestaffelten Barrikaden gar nicht wirklich in Alarmbereitschaft waren,
     obwohl doch auf der Straße an der Dora Riparia, natürlich außerhalb der savoyardischen Schußweite, reglos und Muskete bei
     Fuß, unsere Armee in exakten Vierergruppen bereitstand.
    »Die Unseren warten auf unseren Angriff, um ihrerseits anzugreifen«, sagte Graf von Sault, der sich, bäuchlings im Schnee
     wie ich, zu meiner Rechten einstellte. »Also lassen wir sie nicht länger schmachten!«
    Als ich den Kopf wandte, sah ich eine Kompanie Arkebusiere in zwei Reihen herankriechen, eine, um den Hügelkamm zu besetzen,
     und die zweite, einen Klafter dahinter, um an die Stelle der ersten aufzurücken, sobald deren Ladung verschossen war.
    »Unser Stand ist fast zu gut«, raunte Graf von Sault, »bei nahe schäme ich mich, auf die armen Leute dort unten zu schießen.«
    |90| Trotzdem zog er seine Pistole, hob sie über den Kopf und schoß in die Luft, Hauptmann, Leutnant und Feldwebel des Regiments
     taten es ihm nach. Die vier aufeinanderfolgenden Schüsse gaben den Arkebusieren das Signal, alle zugleich auf die Barrikaden
     anzulegen. Das Musketenfeuer brach los wie der Donner, kurz und ohrenbetäubend, und als der Pulverdampf verflog, sah man,
     wie die Savoyarden von ihren Barrikaden fort und durch das große Stadttor stürzten, um sich in Sicherheit zu bringen. Im selben
     Augenblick strömte auf der Straße die königliche Armee heran, besetzte, ohne auf Widerstand zu stoßen, die Barrikaden und
     rannte durch das Tor, das die flüchtenden Feinde offengelassen hatten.
    ***
    »Schöne Leserin, wollten Sie etwas sagen?«
    »Monsieur, ich bin baß erstaunt. So wird der Kampf am Susa-Paß doch sonst nirgends erzählt!«
    »Richtig, Madame. Und ich habe die beiden bekanntesten Versionen des Ereignisses, die französische und die savoyardische,
     noch mit keinem Wort erwähnt, weil ich weder der einen noch der anderen beistimmen kann.«
    »Aber wenn Sie erlauben, Monsieur, würde ich sie trotzdem gern hören.«
    »Bitte sehr. Ich mache Sie, Madame, zum Schiedsrichter meiner Zurückhaltung. Die verbreitete französische Version verdanken
     wir Marschall von Bassompierre. Nach beendetem Italien-Feldzug wieder in Paris, erzählte er diese seine Version im Kreis der
     Prinzessin Conti, der Herzogin von Chevreuse, kurz, der diabolischen Reifröcke und ihrer Anhänger am Hof, die für den König
     und den Kardinal nur Haß und Verachtung übrig hatten.
    Gehen Sie mit mir bitte ein Stück in der Zeit zurück, Madame, bis zu jenem Moment nämlich, bevor die Schweizer von Graf Sault
     mit ihren Musketen auf dem Hügelkamm erscheinen, der die Südflanke der Barrikaden beherrscht. Wie gesagt, steht hundert Klafter
     vor besagten Barrikaden die königliche Armee Gewehr bei Fuß. Noch einmal hat Ludwig durch seinen Herold den Herzog von Savoyen
     um freie und freundschaftliche Passage ersucht, und abermals hat der Herzog von Savoyen |91| diese abgelehnt. Und wem reißt nun der Geduldsfaden, wenn nicht unserem großen Bassompierre, unserem wunderbaren Bassompierre?
     Und das sagt er dem König denn auch in jenem geschwollenen, metaphorischen Stil, für den unsere höfischen Zierpuppen schwärmen,
     den aber der König verabscheut, der wie sein Vater eine knappe, soldatische Sprache schätzt.
    ›Sire‹, sagt Bassompierre, ›die Gesellschaft ist versammelt, die Violinen haben die Plätze eingenommen, und die Masken stehen
     an der Tür. Wenn es Eurer Majestät beliebt, kann der Tanz beginnen.‹
    Worauf der König entgegnet, er habe keine fünf Pfund Blei im Magazin seiner Artillerie. Was für Worte legt Bassompierre ihm
     da in den Mund! Madame, mutet es Sie nicht sonderbar an, daß der König klagt, keine Munition zu haben, die er, wenn er sie
     hätte, gar nicht benutzen könnte, weil seine Artillerie, wie Sie wissen, im Fort von Exilles, gute zwei Tagesmärsche vor Susa,
     zurückgeblieben ist? Ist der König nicht bei ganz Trost? Hat er sein Gedächtnis verloren und weiß nicht mehr, was er redet?
    Natürlich fegt Bassompierre den dummen Einwand im Nu beiseite. Er schilt und tadelt den König sogar, als wäre der ein Grünschnabel,
     und führt mit seinem Furor die Entscheidung herbei.
    ›Sire‹, sagt er, ›daran

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