Rache der Königin
Fürsten von Piemont, und wie man sah, waren die Bedingungen äußerst
günstig für den Herzog und seinen Sohn. Das Verhältnis zwischen ihnen und uns verschlechterte sich allerdings gegen Ende unseres
Aufenthalts. Und das hatte seinen Grund.
Leser, wenn du schusselig, vergeßlich und unordentlich bist wie ich – außer in meinen Pflichten und Missionen –, sollst du
wissen, daß dies nicht etwa ein läßlicher Fehler ist, mit dem man sich unter Freunden aufziehen kann, sondern ein schlimmes
Laster, dessen unabsehbare Folgen den Sünder, wenn er kein Edelmann ist, eines Tages sogar an den Galgen bringen können.
In jenem Jahr und dem Monat, der uns beschäftigt, verlor ein gewisser Clausel auf seiner Reise durch Frankreich Papiere, welche
demjenigen, der sie fand und las, von so hoher und großer Wichtigkeit erschienen, daß er sie über eine Kette von Vertrauensleuten
bis nach Susa weiterreichen und dem König überbringen ließ.
|97| Ludwig las diese Papiere und las sie abermals, verblüfft und außer sich vor Entrüstung. Sofort rief er den Kardinal, der seinerseits
las und dem das Lesen die Sprache verschlug: Es handelte sich um einen Vertrag zwischen dem sehr katholischen König Philipp
IV. von Spanien und dem Herzog von Rohan, Oberhaupt der französischen Hugenotten. Diesem Vertrag zufolge sollte der Herzog
jährlich vierzigtausend Golddukaten erhalten, wenn es ihm gelänge, innerhalb Frankreichs einen unabhängigen protestantischen
Staat zu schaffen.
Wahrhaftig, man hätte platzen können! Die unsägliche Scheinheiligkeit der spanischen Politik – aus diesem unappetitlichen
Dokument sprang sie voll ins Auge. Urbi et orbi gab sich der König von Spanien als Führer der katholischen Kirche aus und
proklamierte, daß er als einziger die Mittel besitze, die Ketzerei auszurotten. Aber gleichzeitig bot er dem Herzog von Rohan
Gold, damit er in Frankreich einen protestantischen Staat errichte zu dem alleinigen Zweck, das einzige Land zu schwächen,
das sich seinem Traum von einer habsburgischen Universalmonarchie in Europa widersetzte.
Ludwig geriet bei der Lektüre des Vertrags, wie gesagt, in brodelnden Zorn, doch erreichte dieser Zorn den höchsten Grad,
als er entdeckte, daß die Person, die bei besagter Abmachung zwischen dem Herzog von Rohan und dem König von Spanien den Mittler
gespielt hatte, niemand anders war als sein Schwager, der Fürst von Piemont. Der König ließ ihn von Avellana kommen, wusch
ihm gnadenlos den Kopf und forderte von ihm ein handschriftliches Schuldbekenntnis, das er, wieder in Frankreich, samt dem
Vertrag unseren Frömmlern vorlegte, die bekanntlich den König von Spanien auf Knien anbeten. Doch sind die Frömmler ja seltsame
Leute, die einmal glauben, was sie glauben, und sonst gar nichts. Sie bestritten alles. Der Vertrag sei eine offenbare Fälschung,
die Geschichte seines Verlustes unwahrscheinlich, und übrigens habe man den Mann, der ihn verlor, nicht dingfest machen können.
Was das Einbekenntnis des Fürsten anging, so war es ihm von dem Sieger von Susa diktiert worden. All dies wurde aus Respekt
vor dem König beileibe nicht laut gesagt, es ging von Mund zu Ohr als frommes Gemurmel. Und sogar als Clausel endlich gefaßt
wurde und vorm Hängen gestand, bestritt man seine Geständnisse. Arrangiert sei das alles, Ausgeburt eines hinterhältigen |98| Hirns, Ihr wißt schon, wessen, hieß es mit Seufzen und schiefem Augenaufschlag.
Die Entdeckung des Geheimvertrags zwischen Rohan und dem spanischen König machte es zur noch dringlicheren Aufgabe, die hugenottischen
Städte des Reiches ein für allemal zu unterwerfen. Zu meiner großen Erleichterung drängte der König, nachdem er vierzig Tage
in Susa verweilt hatte, nun zum schleunigen Aufbruch nach Frankreich. Und überglücklich hoffte ich, bald schon die bukolischen
Freuden von Orbieu wiederzufinden, wo Catherine mich erwartete. Schließlich bedurfte der König meiner Dolmetscherei doch nicht
mehr, diesmal spielte sich die Schlacht ab unter Franzosen.
Doch, ach, es wurde nichts daraus. Ludwig blieb stur und stumm, sooft ich auf mein Herzogtum Orbieu anspielte und zu verstehen
gab, wie gern ich dort zum Heuen oder zur Kornernte wäre.
»Das Heu hat einen breiten Rücken«, witzelte Nicolas, ganz als erginge es ihm nicht genauso, denn seit es Sommer war, leistete
seine Henriette meiner Catherine auf unserem Gut Gesellschaft.
Da ich beim König auf Granit biß
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