Rache der Königin
konnten, weil ihr Tod fast immer die prompte Niederlage
ihres Heeres nach sich zog.«
»Sie meinen also, Monsieur, der Herzog von Savoyen hat sich gar nicht auf seinem Stuhl in die Barrikaden tragen lassen?«
»So unhöflich will ich gegen das Haus Savoyen nicht sein. Ich meine nur, daß der Herzog, nachdem er die Verteidigung der Stadt
inspiziert und die Verteidiger ermutigt hat, in sein Schloß zurückgekehrt ist, um den Ausgang der Schlacht abzuwarten. Woran
ja nichts Ehrenrühriges ist und was jeder europäische Monarch genauso gemacht hätte.«
»Aber, Monsieur, wenn man nur eine Handvoll Männer hat, ist es dann nicht eine Torheit, sich mit einer so mächtigen Armee
wie der Ludwigs zu messen?«
»Torheit? Nein! Ich würde es eher Berechnung nennen.«
|94| »Berechnung? Wenn eine so schwache Garnison mit einem so gut wie gelähmten Feldherrn an der Spitze sich fünfunddreißigtausend
Soldaten entgegenstellt?«
»Wenn Ihnen Berechnung nicht gefällt, nennen wir es Täuschung.«
»Täuschung?«
»Gewiß, Madame! Bedenken Sie doch, in welcher schwierigen Lage sich Karl Emmanuel zwischen seinen zwei mächtigen Nachbarn
befindet, dem ständigen Nachbarn Spanien und dem immer nur zeitweilig in Italien aufkreuzenden Frankreich. Wenn er mit letzterem
zu sehr fraternisiert, wird ihm Spanien nach dessen Abzug die Leviten lesen, vielleicht Schlimmeres. Vergessen Sie nicht,
daß Karl Emmanuel von Savoyen mit dem König von Spanien verbündet ist und daß sie als Verbündete sich die Städte Monferratos
aufgeteilt haben: für Spanien Casale, für Savoyen Tino. Den Franzosen den Schlüssel zu Italien zu übergeben hätte für Gonzalo
de Córdoba Verrat am spanischen Verbündeten bedeutet. Wurde der einem aber mit Gewalt entrissen, sah die Sache ganz anders
aus. Dann stand Karl Emmanuel weiß da wie Schnee.«
»Und hatte das Täuschungsmanöver den erwünschten Effekt?«
»Es ist der Fehler jeder machiavellistischen Politik, Madame, daß sie nur eine Zeitlang verfängt. Lange ließ der Spanier sich
nicht narren, höchstens bis er hörte, welche sehr milden Friedensbedingungen Karl Emmanuel von Ludwig gestellt wurden: Der
Herzog durfte Tino behalten und erhielt eine Jahresrente von fünfzehntausend Ecus zugesprochen. Als Gonzalo dann noch vom
Wiedersehen unter Freudentränen und Herzensergüssen des Königs von Frankreich mit seiner kleinen Schwester hörte, der Prinzessin
von Piemont, war ihm wohl klar, daß man ihn hinters Licht geführt hatte. Zumal die königliche Armee ihre freie Passage durch
Susa erhielt, Casale von der Belagerung befreit wurde und Toiras sich mit starker Garnison dort festsetzen konnte.
Die Folgen ließen nicht auf sich warten. Kaum war Ludwig in sein liebliches Frankreich heimgekehrt, zeigte der Spanier dem
Herzog die Zähne und forderte, daß er eine Klausel des Vertrags mit Ludwig nicht erfülle: Toiras in Casale zu ernähren. Was
dem geizigen Karl Emmanuel aber sehr recht war |95| und Toiras nicht allzusehr störte, weil er, in Belagerungen erfahren, große Vorräte angelegt hatte. Alles in allem, meine
ich, sind Karl Emmanuel wenig Vorwürfe zu machen. Seine unglückliche geographische Lage nötigte ihn, bald Spanien und bald
Frankreich zu verraten. Und was uns angeht, schöne Leserin, war es nicht unvermeidlich, daß wir, um Casale, Mantua, Savoyen
und die Republik Venedig zu unterstützen, immer wieder mal nach Italien kommen mußten, denn unsere Erfolge dort waren doch
nie von Dauer.«
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|96| FÜNFTES KAPITEL
Herr nun von Susa, betraute der König Richelieu – und nicht Bassompierre – mit der Aufgabe, die Stadt zu befrieden, was der
Kardinal sehr geschickt und geduldig vollbrachte und ohne jede Sorge um glanzvollen Ruhm, dergestalt, daß er sich erbot, einen
der drei Türme intra muros, der sich nicht ergeben wollte, nicht anzugreifen, wenn seine Verteidiger sich verpflichteten,
nicht auf unsere Soldaten zu schießen. Sie versprachen es und hielten auch Wort.
Gegenüber Karl Emmanuel von Savoyen und dem Fürsten von Piemont zeigte Ludwig die gleiche Milde. Auf ihre Bitte erlaubte er,
daß sie sich nach Avellana, einer kleinen Feste, zurückzogen, und mit seltener Rücksichtnahme verzichtete Ludwig darauf, das
Schloß, das sie verlassen hatten, zu besetzen, sondern nahm mit einem benachbarten Haus fürlieb, das entschieden weniger schön
und bequem war.
Den Friedensvertrag schloß Ludwig mit seinem Schwager, dem
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