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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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heute morgen vom Kardinal erhielt. Er schickt mir ja jeden Morgen einen«, setzte er angewidert hinzu, und
     ich dachte, daß er doch wohl höchst ungehalten wäre, würde Richelieu sich unterfangen, ihm auch nur einen einzigen Tag keinen
     Bericht über die Reichsgeschäfte vorzulegen. »Bitte, lest das Schreiben.«
    »Laut, Sire?«
    »Nein! Ich wüßte Euch keinen Dank, wenn Ihr mir die Stille vertreiben würdet. Lest für Euch, und wenn Ihr fertig seid, gebt
     mir ein Resümee. Der Herr Kardinal schreibt immer so lang. Er muß immer alles bis ins Unendliche begründen.«
    Nun war es ja gerade diese sokratische Dialektik, die ich an Richelieu am meisten bewunderte. Übrigens hatte ich auch mehrmals
     gehört, wie selbst Ludwig ihn für die Klarheit, die Methode und den erschöpfenden Charakter seiner Darlegungen lobte.
    Ich las also Richelieus Brief still für mich.
    »Sire, ich bin fertig«, sagte ich dann.
    »Ich höre«, sagte Ludwig mit einer Miene größten Überdrusses, die sein Vergnügen, vom Kardinal tagtäglich über alles unterrichtet
     zu werden, schlecht verhehlte.
    »Sire, der Kardinal schreibt Euch von Schloß Piquecos.«
    »Piquecos?« fragte Ludwig, »ein komischer Name!«
    »Es ist ein Name aus dem Languedoc, Sire.«
    »Das dachte ich mir. Und wo liegt Schloß Piquecos?«
    »Unweit von Montauban, Sire.«
    »Schön. Der Herr Kardinal wollte also nicht in der Stadt wohnen, die sich ihm gerade erst ergeben hat. Weiter, Sioac.«
    |105| »Als der Kardinal auf seinem Pferd in die Stadt einzog, wollte der Stadtrat, daß er unter einem Baldachin Platz nehme, den
     man ihm zu Ehren errichtet hatte. Aber Seine Eminenz hat es abgelehnt und gesagt, dies sei ein Privileg, das allein dem König
     gebühre.«
    »Richtig. So ist es«, sagte Ludwig befriedigt.
    »Aus demselben Grund hat der Kardinal es abgelehnt, daß die Konsuln der Stadt ihn zu Fuß zum Rathaus geleiteten.«
    »Auch gut. Wieso geben sich diese Leute eigentlich römische Namen? Konsuln! Sind wir in Rom oder in Montauban?«
    »Sire, ›Konsuln‹ nennen sich im Languedoc die Mitglieder des Stadtrats.«
    »Weiter, Sioac.«
    »Als der Herr Kardinal sah, daß von der Sankt-Jacobs-Kirche zu Montauban nur noch eine Kapelle übrig ist, so haben die Reformierten
     sie zerstört, hat er befohlen, sie sofort auf königliche Kosten wiederaufzubauen.«
    »Das ist das mindeste, was ich tun kann«, meinte Ludwig.
    »Und schließlich, Sire, hat Seine Eminenz die Prediger des hugenottischen Kults ins Gebet genommen und ihnen gesagt, daß
     Eure Majestät Ihre Untertanen künftighin nach ihrer Treue gegen Eure Person, Sire, und nicht nach ihrer Religion unterscheiden
     wird.«
    »Gut.«
    »Eure Majestät, hat er zum Schluß erklärt, wünsche, daß alle Ihre Untertanen im selben Glauben einig seien, doch erhoffe Sie
     sich dies allein von Gottes Willen und allein von Gott.«
    »Das wird unseren guten Frömmlern nicht gefallen«, sagte Ludwig, »aber es ist genau, was ich denke.«
    »Der Herr Kardinal beschließt seinen Brief mit einem an Eure Person gerichteten starken Wort. Darf ich es zitieren, Sire?«
    »Zitiert, Sioac.«
    »›Sire, alles beugt sich Eurem Namen. Man kann jetzt wahrhaft sagen, daß die Quellen der Ketzerei und der Rebellion versiegt
     sind.‹«
    Ludwig überlegte ein Weilchen.
    »Nein«, sagte er dann langsam, »das ist nur zur Hälfte wahr: Die Quellen der Rebellion sind tatsächlich versiegt, aber nicht
     die der Ketzerei. Nur, was können wir anderes tun, als dieses Gnadenedikt umzusetzen? Die Hugenotten abschlachten? Gute |106| Franzosen aus Frankreich verjagen? Oder andere Unmenschlichkeiten begehen, über die unsere guten Frömmler sich die Köpfe heiß
     reden?«
    Hiermit schloß Ludwig die Augen und blieb so lange stumm, daß ich dachte, er wolle schlummern. Doch mit einemmal schlug er
     die Augen auf.
    »Man muß dem Kardinal«, sagte er mit klarer Stimme, »die Ehre erweisen, die er verdient. Alle glücklichen Erfolge, die es
     im Reich und außerhalb des Reiches gibt, sind seinem Rat und seinem mutigen Wirken zu danken.«
    ***
    Drei Tage darauf gewährte Ludwig mir aufs neue Gastrecht in seiner Karosse, nun aber zu einem ganz unverhofften und freundschaftlichen
     Zweck, so daß ich hocherfreut war.
    »Sioac«, sagte er, »wißt Ihr noch, wie ich Euch einmal einen Plan für ein Torgebäude in Orbieu zeichnete, nachdem Ihr von
     marodierenden Soldaten überfallen worden wart?«
    »Und wie gut ich das weiß, Sire! Euren Plan ließ ich

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