Rache der Königin
und mich dem Kardinal nicht zu eröffnen wagte, klagte ich meinen Fall Monsieur de Guron,
von dem ich bereits im vorigen Band sprach.
Glücklich die Menschen, die mit einem Wort zu beschreiben sind: Schomberg mit Geradheit, mit Treue Guron. Und glücklich auch
jene, die sie zu Freunden haben. Ihnen können sie alles sagen, ohne Argwohn, ohne Rückhalt.
Auf einer Etappe unserer Armee, zu Orange war es, lud ich Monsieur de Guron – der einer der großen Schlemmer bei Hofe war
– zu einem kräftigen Mahl in dem mir zugeteilten Logis, und beim Dessert nun und einem letzten Gläschen vertraute ich ihm
meinen Kummer an.
»Mein Freund«, sagte Guron, den es kein bißchen nach Paris zog, weil er längst nur noch Lust und Liebe bei Frauenzimmern suchte,
die er auf dieser und jener Etappe fand. »Mein Freund«, sagte er also, »Ihr seid das Opfer Eurer trefflichen Gaben. Hat Eure
Mittlerschaft Ludwig schon auf der Insel Ré große Dienste geleistet, Euer
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zwischen Buckingham und Toiras, um wieviel glänzendere waren es erst im Gravere. Und so denkt der König Eure diplomatischen
Talente zu gebrauchen, |99| um gegebenenfalls mit den hugenottischen Städten zu verhandeln und vielleicht sogar mit dem Herzog von Rohan. Schließlich
rechnet dieser es Euch hoch an, wie liebenswürdig und zuvorkommend Ihr der Herzogin, seiner Frau Mutter, begegnet seid, als
Ihr sie im belagerten La Rochelle besuchtet.«
»Gewiß!« sagte ich, »ich erinnere mich gut an die reizende alte Dame (reizend, aber auch ziemlich hochmütig), die mich in
La Rochelle empfing. Wie sehr bewunderte ich ihre Standhaftigkeit, bei ihren Untertanen zu bleiben und Hunger und Gefahren
mit ihnen zu teilen, obwohl Ludwig ihr zu wiederholten Malen anbot, sich aus dieser Hölle auf ein friedliches nahes Schloß
zurückzuziehen.«
Es ist also aus, dachte ich, als ich Guron zu seinem Pferd begleitete, ich muß noch einmal fronen, fern von Catherine und
meinem kleinen Sohn, und wer weiß, wie lange?
Leser, vielleicht kannst du dich der Tatsachen entsinnen und weißt noch, daß nach der Einnahme von La Rochelle und trotz aller
Milde, mit welcher der König die Stadt behandelte, dennoch keine andere hugenottische Stadt sich zur Einsicht bekehrt hatte.
Nachdem Susa genommen und Casale befreit war, blieb folglich nichts anderes übrig, als mit der Heimkehr ins süße Frankreich
auch dieses Problem anzugehen, wenn man wollte, daß das Reich endlich von seinen Bürgerkriegen genas und dem König in seiner
Gänze gehörte.
Wer eine Karte des Königreichs betrachtet, kommt nicht umhin zu bemerken, daß die hugenottischen Städte einen Bogen bilden,
der von Privas über Saint-Ambroix, Alès und Anduze bis nach Nîmes reicht. Von Nîmes verläuft der Bogen dann in weitem Schwung
gen Westen, mit Castres, Mazamet und Montauban.
Noch nie hatte die königliche Macht sich unterfangen, diese Städte alle gleichzeitig anzugreifen, sondern sie nahm sich bald
die eine, bald die andere vor, mit dem Ergebnis, daß die Hugenotten, wenn eine fiel, sich über ihren Verlust trösteten, indem
sie sich all jene herzählten, die ihnen »dank der Vorsehung« blieben. Wenn hingegen die königliche Macht vor einer Stadt scheiterte,
wie zum Beispiel vor Montauban, hob dies den Mut aller anderen und bestärkte sie noch mehr im Gefühl ihrer Unbesieglichkeit,
wie es ihre Pastoren ihnen im Namen der Sache eingetrichtert hatten.
|100| Zurück aus Italien, vertraute Ludwig dem Kardinal von Richelieu die Rückeroberung der hugenottischen Städte an.
Damit wurde Richelieu vom Ersten Minister Seiner Majestät auch zum Generaloberst seiner Armeen, ohne daß er den Titel trug.
Anders als alle seine Vorgänger in diesem Amt gebot er über einen unerhörten Vorteil: ein großes Heer, das seit der Einnahme
von La Rochelle und der Besetzung von Casale obendrein als unbesiegbar galt. Außerdem war dieses Heer gut besoldet und ernährt,
diszipliniert und kriegserfahren.
Darüber hinaus aber besaß er einen Trumpf, über den unsere wackeren Marschälle nicht unbedingt verfügen konnten: ein klares,
von Voreingenommenheiten freies Urteil, welches das Für und Wider einer Situation und einer Strategie bis ins feinste zu erwägen
vermochte, bevor es in aller Klarheit und Sachkenntnis eine Entscheidung traf. Und so beschließt er denn, nicht etwa eine
einzelne wichtige Hugenottenstadt, sondern ausnahmslos alle anzugreifen, und alle zur selben Zeit.
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