Rache der Königin
Nun, die Armee, über die
er gebietet, ist groß genug, daß er sie aufteilen und überall hinschicken kann, wo die Rebellion sich noch hinter Mauern verschanzt:
Der Prinz von Condé schließt den Belagerungsring um Montauban, Monsieur de Vantadour den um Castres, Marschall von Estrées
den um Nîmes. Was den König und Richelieu betrifft, so attackieren sie den höchsten Punkt des von uns beschriebenen Kreisbogens,
das heißt den nördlichsten Brückenkopf der Hugenotten in Frankreich: Privas. Am neunzehnten Mai wird die Stadt von neunzehntausend
Mann Infanterie, sechshundert Mann Kavallerie und einer Artillerie umzingelt, welcher der Schnee von Exilles nichts mehr anhaben
kann. Am sechsundzwanzigsten Mai ergibt sich die Stadt.
Schöne Leserin, vergeben Sie mir: Ihre schönen Augen werden nun weinen. Als Privas gefallen ist, erörtern der König und der
Kardinal, ob sie der Stadt die gleich großmütige Gnade gewähren sollen wie La Rochelle nach dessen Kapitulation, und obwohl
sie beide keine grausame Ader haben, kommen sie zu dem Schluß, daß Großmut, so edel sie an sich ist, nichts erbringt. Immerhin
hatte sich nach La Rochelle keine zweite hugenottische Stadt ergeben. Und so entschlossen sie sich zur Strenge. Zum erstenmal,
und ich glaube, nicht ohne Scham und Gewissenspein, ließ Ludwig seinen Soldaten die Zügel schießen. Es kam zu allen in solchem
Fall üblichen Schandtaten. Privas |101| wurde geplündert und gebrandschatzt, und als ich die verzweifelten Schreie der armen Einwohner hörte und die hohen Flammen
sah, die ihre Häuser verschlangen, war ich verstört und unglücklich wie nie; ich konnte jedoch nicht bestreiten, daß an den
darauffolgenden Tagen Saint-Ambroix, Alès, Anduze, Nîmes, Castres, Mazamet, Montauban eine nach der anderen dem König ihre
Tore öffneten. Es waren keine erfreulichen Gedanken über die menschliche Gattung, die mich angesichts dieser Kapitulationen
ohne einen Schuß Gegenwehr bewegten, hatte doch das Wüten der Soldateska in Privas bewirkt, was Gnade und Milde nicht vermocht
hatten.
Trotzdem kehrten Gnade und Milde wieder, allerdings von Vorsichtsmaßnahmen begleitet, als Ludwig am siebenundzwanzigsten Juni
das Gnadenedikt für die protestantischen Städte erließ. Sie mußten ihre Mauern und Wälle schleifen und, das war das mindeste,
den katholischen Kult überall wieder zulassen. Abgeschafft wurden die ihnen von Henri Quatre gewährten Privilegien, besonders
jenes, das sie von der Taille, der königlichen Steuer, befreit hatte. Doch vor allem – ein Wunder an königlicher Gerechtigkeit!
– wurden ihnen die konfiszierten Güter wiedererstattet, und um einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen, verpflichtete
sich Ludwig, künftig die Sicherheit der Hugenotten und ihre Religion in Frankreich zu respektieren.
Was mich anlangte, brauchte ich keine großen diplomatischen Fähigkeiten aufzubieten, um im Namen des Königs mit dem Herzog
von Rohan zu verhandeln. Er war nur zu sehr interessiert, das Spiel zu beenden, und das aus guten Gründen. Hatte ihn der Friedensvertrag
zwischen Frankreich und England bereits seines natürlichen Verbündeten beraubt, nahm ihm die Kapitulation der hugenottischen
Städte zugleich mit jeglicher Hoffnung auf einen protestantischen Staat innerhalb Frankreichs auch seinen widernatürlichen
Verbündeten: Spanien. Offenbar sind die Großen dieser Welt in der Religionsfrage weniger kitzlig als ihre Völker.
Die Bedingungen, die ich dem Herzog von Rohan zu bieten hatte, waren so großzügig, daß schwerlich etwas daran auszusetzen
war. Er wurde begnadigt, erhielt seinen Besitz zurück und hunderttausend Ecus zum Trost für seine Niederlage. Gleichwohl hatte
das Idyll einen Schatten: Der Herzog mußte |102| künftighin außerhalb Frankreichs residieren, und zwar fürs erste in der uns langjährig verbundenen Republik Venedig, die in
ihrer Furcht vor spanischen Übergriffen vom Mailändischen her eines Kriegsherrn bedurfte, der dem Feldherrn Spinola im gegnerischen
Lager mindestens ebenbürtig war.
So wurde der Herzog von Rohan denn mit allen möglichen Ehren nach Toulon geleitet, wo er sich mit Gemahlin, Tochter und Schätzen
einschiffte nach der Perle der Adria. Und er leistete ihr tatsächlich die größten Dienste, bis er sich dem König ebenso kostbar
erweisen konnte, als er die Spanier hinderte, sich im Veltlin festzusetzen – was mangels Verstärkung jedoch nur für
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