Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
meiner Verblüffung sogar schöne Edelherren und hohe Damen fürbaß gehen, die offensichtlich keinen anderen
     Weg wußten, zum Stadthaus zu gelangen, wo Richelieu sich befand. Sie stolperten auf dem holprigen Pflaster und verrenkten
     sich die Knöchel, man sah, daß ihnen diese Übung ungewohnt war. Und verwundert hörte ich auf einmal eine weibliche Stimme
     mehrmals »Mein Cousin!« rufen. Zuerst glaubte ich nicht, daß der Ruf mir gelte, als ich mich aber beim drittenmal im Sattel
     umwandte, erblickte ich die Prinzessin Conti, zu Fuß, ja, Sie lesen richtig: zu Fuß! Und rechts und links wurde sie von Graf
     von Sault und von Marschall Bassompierre eingehakt.
    In Hof und Stadt nannte mich die Prinzessin Conti stets »mein Cousin«, um jedermann zu verhehlen, was jedermann |126| wußte, nämlich daß sie meine Halbschwester war und dieselbe Mutter hatte wie ich, die Herzogin von Guise.
    »Mein Cousin«, sagte oder vielmehr schrie sie, denn anders hätte ich sie in dieser brausenden Volksmenge nicht verstanden,
     »ich wäre Euch mein Leben lang verpflichtet, wenn Ihr mich hinter Euch auf die Kruppe nähmt! Mir bluten die Füße!«
    »Mit Freuden!« erwiderte ich, »wenn die Herren Euch zu mir heraufheben wollten? Ich weiß nur nicht, wie Ihr rittlings auf
     meiner Accla aufsitzen wollt mit Eurem Reifrock.«
    »Daran soll es nicht scheitern«, sagte die Prinzessin. »Den zieh ich aus.«
    »Aber, meine Liebe!« rief Bassompierre. »Habe ich recht gehört? In der Öffentlichkeit! Vor all den Leuten!«
    »Warum denn nicht?« versetzte die Prinzessin in einem Ton, der zeigte, daß unser großer Bassompierre daheim nicht die Hosen
     anhatte.
    Und schon tat sie, wie angekündigt, und das mit einer Behendigkeit, die bewies, daß auch eine sehr hohe Dame nicht immer einer
     Zofe bedurfte, um sich zu entkleiden. Graf von Sault und Bassompierre war dies weitaus peinlicher als ihr, und sie mühten
     sich nach Kräften, indem sie sie umstellten, die Entkleidung zu verbergen.
    »Meine Accla«, sagte ich leise, indem ich ihre feinen Ohren liebkoste, »daß du mir jetzt nicht bockst! Du wirst gleich eine
     titelschwere, aber leichtgewichtige Prinzessin zusätzlich auf deinem Rücken tragen, und wenn du brav bist, bekommst du zur
     Belohnung heute abend eine große Kelle Honig.«
    »Mein lieber Herzog«, sagte Graf von Sault, »glaubt Ihr, daß sie Euch versteht?«
    »Das Wort ›brav‹ versteht sie sehr gut, und noch besser das Wort ›Honig‹; das genügt, daß sie das Ganze versteht.«
    Und tatsächlich, Accla muckste nicht, als die Prinzessin Conti, von ihren galanten Helfern emporgehoben, sich auf ihrer Kruppe
     niederließ. Dann verlangte die Dame ihren Reifrock und knüpfte ihn sich wieder um die Lenden. Worauf sie mich mit beiden Armen
     umschlang und sich an meinen Rücken schmiegte.
    »Meine Cousine«, sagte ich leise, mich zu ihr umwendend, »ist es nicht seltsam, daß Ihr Euch soviel Mühe macht, einen Minister
     zu sehen, den Ihr haßt?«
    |127| »Oh, ja, ich hasse ihn und werde ihn sogar noch nach dem schmachvollen Tod hassen, den ich ihm wünsche«, erwiderte sie rasch.
     »Aber wenn Ihr, mein Cousin, den Hof besser kennen würdet, wüßtet Ihr, daß es Ereignisse gibt, wo man sehen und gesehen werden
     muß.«
    »Vornehmlich gesehen werden, schätze ich.«
    »Spottet ruhig, Verehrtester! Ihr werdet erleben, daß der Ruhm Eures albernen Kardinals schon morgen zerronnen ist und alle
     Welt bei Hofe allein von mir und meiner öffentlichen Entkleidung reden wird.«
    Worin meine schöne Stiefschwester irrte, denn zur allgemeinen Verblüffung ereignete sich am folgenden Tag in Fontainebleau
     ein Skandal, der die Grundfesten des Staates erschütterte, und in dem gewaltigen Wirbel, den er auslöste, fiel die Entkleidung
     meiner schönen Cousine wie ein Blättchen ins Wasser.
    Was mich angeht, so war ich entzückt, als der Kardinal auf die Freitreppe des Stadthauses trat und ein Beifall mit freudigen
     Rufen ohne Ende aufbrandete, aber nicht etwa nur seitens des Hofes, der doch vollzählig versammelt war, gut erkennbar an seinem
     prächtigen Gefieder, sondern auch von den Bürgern der Stadt, von Priestern, Kaufleuten, Marktschreiern, Maurern und Straßenarbeitern,
     ja sogar von Bauern aus den umliegenden Dörfern. Der Kardinal sagte nur wenige Worte, er sprach über die Wohltaten der endlich
     nun errungenen Einigkeit aller Franzosen, die das Reich in einem Maße stärken werde, daß der König die Angriffe des

Weitere Kostenlose Bücher