Rache der Königin
Feindes
künftig siegreich bestehen könne.
So kurz seine Rede war, dünkte sie mich doch sehr geschickt, denn Richelieu verstand es, sich unauffällig Gerechtigkeit zu
erweisen, gerade indem er allen Ruhm dem König zusprach. Das Ergebnis war, wie er es erwartete: Ludwigs Name wurde lauter
und höher gepriesen als seiner.
Doch es wurde Abend, und in ganz Nemours war beim besten Willen keine Unterkunft aufzutreiben. Wie unsere Fouriere zu sagen
pflegten: Nirgends ging mehr eine Nadel hinein. Zu guter Letzt bot Schomberg mir die eine Bank seiner Karosse, und er bezog
die andere, nicht ohne einen unserer Junker samt unseren vier Pferden ins Lager der Musketiere des Kardinals zu schicken,
damit der Kardinal uns am nächsten Morgen zu finden wisse.
|128| Und das war wohlgetan, denn in der Frühe erschien ein Gefreiter besagter Musketiere samt unseren Knechten und Pferden und
sagte, er habe Order, uns zur Karosse des Kardinals zu geleiten.
Richelieu empfing uns mit einer Leutseligkeit, die ihm nicht alle Tage zu Gebote stand, und Schomberg fragte ihn, ob er mit
der Wendung zufrieden sei, welche die Dinge in Frankreich und außerhalb Frankreichs genommen hatten. Wäre Schomberg nicht
ein so schlichter und ehrenwerter Mann gewesen, hätte Richelieu, der Fragen ebensowenig liebte wie der König, ihm wohl eine
Abfuhr erteilt. Doch sei es, daß er den langjährigen treuen Diener des Königs nicht vor den Kopf stoßen wollte, sei es, daß
ihm bei dem Gedanken an all die gegen ihn gerichteten heimtückischen Intrigen das Herz überquoll, jedenfalls sprach er dies
eine Mal rückhaltlos.
»Die Belagerung von La Rochelle«, sagte er, »der Sieg von Susa, die Befreiung von Casale, die Unterwerfung des Languedoc waren
für den König große Erfolge, zu denen ich mein Bestes beigetragen habe. Doch vergolten werden diese Erfolge offensichtlich
mit einem Haß, der, weil er Seine Majestät nicht erreichen kann, mich zu treffen droht. Nie wird es in diesem Reich an niedrigen
und erbärmlichen Seelen mangeln, denen es angesichts der Tugend eines anderen nicht das Innerste zerreißt vor Begier, ihn
zu vernichten, wenn sie könnten, nur weil er Vorzüge besitzt, die sie nicht haben.«
»Und doch, Eminenz«, sagte Schomberg, »habt Ihr allen Grund, mit dem Ergebnis Eurer unermeßlichen Arbeit zufrieden zu sein.«
»Ich bin zufrieden, ja«, sagte Richelieu, »aber offengestanden esse ich mein Brot in Schweiß und Sorgen.«
Hierauf herrschte großes Schweigen in der Karosse, weder Schomberg noch ich mochten diesem erschütternden Geständnis auch
nur ein Wort hinzufügen. Recht bedacht, schien es mir aber, daß die Sorgen des Kardinals nicht gerechtfertigt waren und daß
er die Entschlossenheit des Königs, ihn gegen seine Feinde zu verteidigen, unterschätzte. Wahrscheinlich lag es daran, daß
Richelieu in seiner außerordentlichen Empfindlichkeit den königlichen Hieb von Nîmes als den härtesten empfand, denn der Zorn
des Königs auf seinen Minister hatte sich öffentlich, unter demütigenden Bedingungen entäußert.
|129| Was der Kardinal uns soeben anvertraut hatte, mochte ihn selbst überrascht haben, denn gleich danach lehnte er seinen schmalen,
schmerzenden Kopf an die lederne Rücklehne und schloß die Augen, nicht um zu schlafen, denke ich, sondern um deutlich zu machen,
daß er kein weiteres Gespräch wünschte, bis wir in Fontainebleau einträfen.
Wir hatten Nemours so frühzeitig verlassen, daß erst eine Hälfte des Hofes in Fontainebleau eingetroffen war, als wir am Schloß
anlangten, und dort nun meldete man Richelieu zu seiner großen Enttäuschung, der König sei noch nicht zurück von der Jagd.
Jedoch sei die Königinmutter, verkündete der Großkämmerer, von seiner Ankunft unterrichtet und erwarte ihn mit den Höchsten
des Hofes. Richelieu war verstimmt, denn immerhin hatte er am Vorabend in Nemours ein Billett erhalten, worin der König seine
Freude auf ihr baldiges Wiedersehen ausdrückte.
Leser, nun höre, wie der Empfang sich abspielte. Ich betrat vor Richelieu den großen Saal, wo die Königinmutter thronte, und
war nach tiefer Verbeugung vor Ihrer Majestät im Begriff, ihr die Ankunft des Kardinals zu melden, als sie mich in jener schroffen
und garstigen Art ansprach, die sie für Größe hielt.
»Nun, Herzog«, sagte sie, »wo ist unser Mann?«
»Madame«, sagte ich, »der Herr Kardinal war kaum seiner Karosse entstiegen, als er von einer
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