Rache der Königin
man ihr gesagt, daß dieses Armband sie mit den alljährlichen Zinsen und der Kaufsumme, die sie am Ende beglich,
das Doppelte des ursprünglichen Preises gekostet hatte.
Endlich betrat Richelieu den Saal und trat gemessenen Schrittes vor den Thron, wo die Königinmutter saß. Das Schweigen, das
herrschte, wurde noch tiefer. Die Großen des Hofes hielten streng den Mund und spitzten das Ohr, um jedes Wort zu erlauschen,
das der Kardinal zur Königinmutter sagen und das sie dem Minister antworten würde, der ihrem Sohn bei seinen Feldzügen so
vortrefflich gedient hatte.
»Madame«, sagte Richelieu, »es ist mir eine große Freude, Eure Majestät wiederzusehen nach so vielen Siegen, die den Armeen
des Königs zu danken sind und die Euch, Madame, Eurer Majestät und Eurem Sohn einen Ruhm einbringen, der noch durch künftige
Jahrhunderte hallen wird.«
Wie in allen Lebenssituationen, ob im Großen Königlichen Rat oder im persönlichen Gespräch, wußte Richelieu unfehlbar die
den Umständen und seinem jeweiligen Gespächspartner |132| gemäßen Worte zu finden, und niemand wunderte sich über dieses so gewandte und wohlgeformte Kompliment. Was die Anwesenden
jedoch verwunderte oder vielmehr sprachlos machte, war das Verhalten der Königinmutter. Denn sie gab dem großen Minister,
diesem treuen königlichen Diener, dem das Reich soviel verdankte, keine Antwort: Hoch aufgerichtet, mit verkniffenen Lippen
und eisigem Blick maß sie ihn verächtlich von oben herab. Wäre diese Haltung nicht so verletzend gewesen, hätte ich sie komisch
gefunden. Denn offenbar waren dieses kränkende Schweigen und diese verächtliche Haltung gegenüber dem Werkmeister unserer
Siege vorbedacht und im voraus zurechtgelegt worden, womöglich sogar vor einem Spiegel geprobt. Nur war die Königinmutter
leider eine schlechte Komödiantin: Sie chargierte.
So verletzt der Kardinal von einem so unerwarteten Empfang im Innern auch war, wartete er doch ehrerbietig, sehr bleich, aber
beherrscht, daß die Königinmutter ihn beurlaube. Was sie nun in arge Bedrängnis brachte, denn einmal zu eisigem und verächtlichem
Schweigen entschlossen, wußte sie nicht mehr heraus, und je länger das währte, desto künstlicher wirkte es, gegen alle Regeln
des Protokolls.
Schließlich setzte der Kardinal der Peinlichkeit selbst ein Ende: Er grüßte die Königinmutter, indem er in seine Verneigung
allen Respekt legte, den er ihr schuldete, wich drei Schritt zurück, verneigte sich wiederum tief und ging. Alle diese Bewegungen
entsprachen den protokollarischen Regeln und wurden mit der Grazie ausgeführt, die man am Hof von einem Edelmann erwartet.
Kaum hatte Richelieu die Schwelle des Saals überschritten, da hob ein Raunen an, die Anwesenden machten einander
sotto voce
1 tausenderlei und, wie mir schien, für die Königinmutter meistenteils nachteilige Bemerkungen, denn auch wer den Kardinal nicht liebte, fand, sie sei in Schroffheit und Verachtung
zu weit gegangen, Richelieus Anteil an unseren Siegen war unumstritten.
Währenddessen betrachtete ich die Königinmutter mit aller Aufmerksamkeit und hatte den Eindruck, daß sie höchst zufrieden
war, so hart mit Richelieu gebrochen zu haben. Wahrscheinlich |133| bildete sie sich in ihrem bißchen Gehirn sogar ein, daß sie aufgrund ihres Ranges den Krieg nur gewinnen könne, den sie diesem
»Hanswurst von Kardinal« soeben erklärt hatte.
Wenn Richelieu eines Balsams für seine Wunde bedurfte, brauchte er hierauf nicht lange zu warten. Von der Jagd zurück, empfing
ihn der König – laut den Worten des Kardinals – »so liebreich und zugewandt, wie es sich gar nicht sagen läßt«. Und als er
ihn um ein vertrauliches Gespräch bat, willigte der König ein, worauf er sich mit ihm in ein Kabinett begab, in welches Richelieu
mich als Zeugen des Vorgefallenen mitnehmen durfte, denn der König sollte nicht denken, er übertreibe seine Herabsetzung durch
die Königinmutter. Tatsächlich hatte die Szene sich ja ohne Worte abgespielt, und nichts ist so schwierig, wie Mienen zu beschreiben.
Richelieu gab dem König einen nüchternen Bericht, und zum Schluß wandte er sich an mich, damit ich seine Aussage bestätige.
Doch Ludwig unterbrach ihn.
»Monsieur d’Orbieu«, sagte er, »Euer Zeugnis ist unnötig. Ich glaube dem Kardinal. Ich kenne das theatralische Gehaben nur
zu gut, mit dem die Königinmutter von ihrem Olymp herab ihre tiefste Verachtung bekundet.
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