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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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»Freßsäcke« vom Hofe war, weshalb eine Mahlzeit bei ihm vier von meinen aufwog, ungeachtet des Weins, der
     dabei in Strömen floß – jedenfalls in seine Kehle. Und wie zu erwarten, hinderten ihn die größten Bissen nicht, nach Herzenslust
     zu schwatzen, und immer von sich.
    Sein Redeschwall hätte mich umgebracht, hätte es, kaum daß die Mahlzeit beendet war, nicht geklopft. Monsieur de Guron und
     ich gingen ins Vorzimmer und zur Tür, gefolgt von den vier Schweizer Riesen mit gesenkter Pike. Ich trug eine Pistole in der
     linken Hand und eine zweite im Gürtel. Monsieur de Guron zog die drei schweren Riegel auf, ich öffnete einen Spalt, und als
     ich das hübsche Mäulchen der Zocoli erspähte, öffnete ich den Flügel so weit, daß ihre schmucke kleine Gestalt hereinschlüpfen
     konnte.
    |138| »Da seid Ihr ja wieder, gnädiger Herr!« rief die Zocoli. »Kennt Ihr mich noch? Aber nennt mich bitte nicht Zocoli. Für Euch
     bin ich Clairette, sehr zu Diensten!«
    Hiermit schlang sie mir einen Arm um die Taille, daß ich einige Mühe hatte, mich von der kleinen Schlange zu befreien. Alle
     Wetter! dachte ich, wenn sie mir schon beim zweitenmal so kommt, wie dann erst beim drittenmal?
    »Clairette«, fragte ich, »bist du ungehindert hierhergekommen?«
    »Ungehindert, ja! Ich bin doch da!« sagte die Zocoli, die als Pariser Kind einen gutgewetzten Schnabel hatte und wie alle
     ihrer Art frisch, frei, frech war und sich vor nichts auf der Welt fürchtete. »Was sind denn das für Soldaten?« setzte sie
     hinzu, als sie die Männer bemerkte, die im matten Licht in Habtachtstellung standen.
    »Schweizer von Monsieur de Guron sind es. Sie sollen dich beschützen.«
    »Sind die schön! Richtige Riesen!« sagte die Zocoli und betrachtete sie mit leuchtenden Augen und offenem Mund.
    »Kindchen, anstatt dich im Anblick dieser Prachtkerle zu verlieren, solltest du mir besser deinen Vers vortragen.«
    »Gnädiger Herr«, wandte sie sich an Monsieur de Guron, indem sie ungeniert in einem Lehnstuhl Platz nahm, den ihr das Protokoll
     nicht gestattet hätte, »Ihr würdet ein gutes Werk tun, wenn Ihr mir vorher einen kleinen Schluck Wein vorsetztet, meine Kehle
     ist ganz trocken, und ein Häppchen zu essen, mir knurrt der Magen nach dem langen Weg durch die düsteren Flure von Fontainebleau.«
    Monsieur de Guron, von Mitleid ergriffen – aber war es Mitleid? –, ließ ihr auftragen, was uns hienieden zu unserem Leibeswohl
     frommt. Die Zocoli leerte einen ganzen Krug Wein, verputzte einen Schinken und hinterdrein Sahnespeise und Zuckerzeug, damit
     das Ganze gut rutsche. Monsieur de Guron, der sie mit einer Bewunderung betrachtete, die von Minute zu Minute wuchs, raunte
     mir
sotto voce
ins Ohr, diese Art Weib hungere es jeden Tag, den Gott werden läßt, aus allen Leibesöffnungen.
    Hierbei sah er sie selbst mit so hungrigen Augen an, daß ich beschloß, sie ihm zu überlassen, sobald sie mir berichtet hätte.
     Und als Monsieur de Guron sich diskret entfernte, begann sie |139| mit ihrer Geschichte, nach der ich die beste Meinung von ihrem Urteil gewann.
    »Gnädiger Herr«, sagte sie, »ich weiß die Stunde nicht, als heute Madame (die sie klugerweise nie anders nannte) ein Sendschreiben
     erhielt. Kaum hatte sie es gelesen, da geriet sie in Wut. Und wer Madame nicht in Wut gesehen hat, hat nichts gesehen! Nicht,
     daß ich sie dabei in Ruhe hätte beobachten können, denn wie der Sturm losbrach, warf ich mich flach auf den Bauch hinter eine
     Truhe, die ich gerade mit dem Flederwisch abstauben wollte. In solchem Fall darf man sich nämlich um keinen Preis vor Madame
     blicken lassen, sie zerschlägt dann nicht nur alles, was ihr unter die Finger kommt, sie ohrfeigt auch jedes menschliche Wesen
     in ihrer Reichweite. Aber die Neugier war größer als die Angst, ab und zu riskierte ich ein Auge um eine Truhenecke, das Spektakel
     zu sehen. Meiner Treu, gnädiger Herr, das schafft kein Pariser Schiffersknecht! Die Dame erbleicht, stampft mit den Füßen,
     wird puterrot, Schweiß strömt ihr übers Gesicht. Sie schnappt nach Luft, ohne Scham reißt sie das Mieder auf, zerrauft sich
     die Haare. Und bei alledem speit sie eine Flut schmutziger und ungezogener Wörter. Wahrhaftig, ein Fischweib von den Hallen
     würde vor Neid erblassen! Endlich erschöpft von ihrem Toben, verstummt Madame, und wie ich um die Truhenecke linse, plumpst
     sie auf den einzigen Lehnstuhl im Salon. Sie ringt um Atem, schnauft wie ein

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