Rache der Königin
genug sein können!
Egal, ob man unschuldig ist oder schuldig, es reicht ein Nichts, ein bloßer Anschein, und sie flammen lichterloh! Es gibt
nur noch Verdächtigungen, Indizienjagden, Unterstellungen, und dann die Verhöre, immer dieselben Verhöre. Und das schlimmste
ist, daß kein Wort der Vernunft diese Tollheit einzudämmen vermag. Es hätte zum Beispiel nicht das mindeste genützt, Catherine
zu sagen, wie sinnlos es sei, sich im voraus durch meine angenommene künftige italienische Untreue schrecken zu lassen, weil
es noch gar nicht heraus war, ob Richelieu mich überhaupt mitnehmen wollte.
Nun, das schöne Geschlecht redet doppelt so schnell wie das bärtige, darum meine ich, man sollte einem Sturm nie mit Sturm
begegnen. Dabei geht man leicht unter. So hielt ich denn still unter Donner und Blitz. Aber was, Leser, macht die schwere
Galeone wie die leichte Fregatte, wenn der Sturm zu groß wird? Sie flieht vor dem Unwetter. Und genau das tat ich mit der
Begründung, außer Ludwig dürfe niemand in diesem Reich den Kardinal von Richelieu warten lassen.
***
»Mein Cousin«, sagte Richelieu in seiner raschen, gebieterischen Weise, sowie ich in dem Lehnstuhl saß, den er mir gewiesen
hatte, »während ich in den Alpen stark beschäftigt sein werde, erwarten Euch viele Aufgaben in Paris. Deshalb nehme ich Euch
nicht mit in die Kälte. Marschall von Créqui und Graf von Sault werden Euch als Dolmetsch ersetzen.«
Gott sei Dank! dachte ich. Also muß ich nicht von einer Kugel erschossen oder zerfetzt werden, nicht an der Pest verderben
noch in Höllengluten vergehen.
|163| »Graf von Sault?« fragte ich überrascht.
»Sein Italienisch hat sich bedeutend verbessert, seit er in Susa war und sich durch tägliches Reden mit den Einwohnern geübt
hat. Jedenfalls findet Marschall Créqui, der es wissen muß, daß er jetzt sehr gut spricht.«
Ich schmunzelte im stillen. Diesmal war der Kardinal für mein Gefühl entweder schlecht informiert, oder er war, das
gentil sesso
betreffend, ein wenig naiv: die »Einwohner von Susa«, dank deren Graf von Sault Italienisch gelernt hatte, begrenzten sich
bekanntlich auf die zwei Schwestern, die uns Logis boten und sich in seine Gunst teilten, während ich als Opfer meiner Tugend
draußen blieb. Aber daß der schöne Graf dabei ihre Sprache lernte, ist der Beweis, daß der tüchtige Mann wirklich keine Mühe
scheute, sich zu bilden und seine Kenntnisse zu erweitern.
Ja, nichts geht uns leichter in den Kopf als eine fremde Sprache, die man von Angesicht zu Angesicht lernt, von Mund zu Mund,
könnte man sagen, und wenn die Liebe mit im Spiel ist.
»Mein Cousin«, fuhr Richelieu fort, »Ihr kennt, glaube ich, den Domherrn Fogacer.«
»In der Tat, Eminenz. Er war der Kommilitone und Mentor meines Vaters an der Medizinischen Hochschule zu Montpellier, und
ich kenne und bewundere ihn von klein auf.«
»Er soll am Hof Auge und Ohr des Apostolischen Nuntius sein.«
»Eminenz, wer weiß das besser als Ihr? Ich bin mir jedoch sicher, daß der Domherr Fogacer dem Nuntius nichts entdeckt, was
Ludwig schaden könnte.«
»Seht Ihr ihn oft?«
»Meine Tür steht ihm jederzeit offen, und mein Tisch ist stets für ihn gedeckt.«
»Bedauert, nach Eurer Kenntnis, der Apostolische Nuntius, daß Ludwig gegen die Spanier und die Kaiserlichen einschreitet,
um ihre Angriffe auf Mantua und Casale abzuwehren?«
»Ich glaube ziemlich sicher, nein, denn nach dem letzten Königlichen Rat zu Fontainebleau erschien Fogacer mir sehr zufrieden,
daß er dem Nuntius die Nachricht von unserem Kriegseintritt überbringen konnte.«
»Und was schließt Ihr daraus?«
»Daß der Heilige Vater auf die spanische Scheinheiligkeit |164| nicht hereinfällt. Der sehr katholische König gibt sich als großer Vorkämpfer gegen die Protestanten aus, und in Wahrheit
greift er katholische Fürstentümer wie das Mailändische und jetzt das Mantuanische an, um sie zu unterwerfen und zu besetzen.
Laut Fogacer beginnt der Papst für seine eigenen Staaten zu fürchten, und er weiß, wenn die Spanier sich erst ihrer bemächtigten,
werden sie ihn zum Vasallen machen.«
»Wenn diese Analyse stimmt, mein Cousin«, sagte Richelieu nach kurzer Überlegung, »leistet ein jeder, der Ludwig in seiner
antispanischen Politik unterstützt, auch dem Heiligen Vater einen großen Dienst. Ob der Domherr Fogacer unter diesen Bedingungen
geneigt wäre, dem König in seinen Vorhaben zu
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