Rache der Königin
Geschmack unserer Gecken anbequemt
haben?
Das Geheimnis klärte sich auf, sowie ich das Siegel des Schreibens erbrach, das gleich zwei Briefe enthielt: einen an mich
von Graf von Sault und einen zweiten von Richelieu an den König, offensichtlich aber vom Grafen nach Diktat geschrieben.
Hier nun der an mich adressierte Brief des Grafen von Sault. So ernst Richelieu dem König die vorgefundene Situation in dem
seinen schilderte, so launig und fröhlich schrieb mir der Graf. Wie hätte ich es auch anders erwarten können von einem Edelmann,
der nichts so sehr wünschte, als sein Italienisch in Susa in guter Gesellschaft zu vervollkommnen. Ach, Leser! Es gab mir
doch einen kleinen Stich, daß ich nicht an des Grafen Stelle war! Wie sauer einem die Tugend werden kann, sogar in Gedanken!
Hier also der Brief des Grafen, auf dessen Orthographie ich um der Leserlichkeit willen verzichte:
Mein lieber Herzog, kaum hatten wir in Kälte und Schnee den Montgenèvre-Paß überquert, als Charpentier und die beiden anderen
Sekretäre Seiner Eminenz eines schönen, wenn auch |169| eisigen Morgens niesend, hustend und fiebrig erwachten, so daß dem Herrn Kardinal keine andere Wahl blieb, als seinen Brief
an den König mir zu diktieren. Nun fand er bei der Durchsicht meines Schreibens aber »meine Schrift unleserlich, meine Orthographie
unsicher, meine Syntax fehlerhaft« (Ihr wißt, wie verschwenderisch der Kardinal loben kann …), und so bat er mich, dieses
Schreiben an Euch zu senden, damit Ihr es noch einmal abschreibt, ehe Ihr es Seiner Majestät überstellt. Ich bitte Euch tausendmal
um Vergebung für dieses Pensum, für das ich voll verantwortlich bin. Leider, mein Lieber, sind wir gar nicht in Susa. Ich
schreibe Euch von Chiomonte, wo ich seitens der Bewohner die schönsten Elogen über Euch höre: über Eure Eleganz, Eure Freigebigkeit
und die
estrema gentilezza d’animo
1 , mit welcher Ihr in Eurer Karosse einen Bauern nach Susa mitnahmt, der nach zehn Jahren seine Hacke von einem ungetreuen Vetter zurückholen wollte. Kurzum, ich höre
so wunderbare Dinge über Euch, daß ich mich gefaßt mache, Euch in fünfzig Jahren – falls ich das erlebe – hier, zum Kirchenheiligen
verwandelt, in den Fenstern der
chiesa communale
zu erblicken. In dieser frommen Hoffnung umarme ich Euch von Herzen.
Graf von Sault
Und nun der vom Kardinal an Seine Majestät gerichtete Brief:
Sire, entgegen all unseren Vereinbarungen und in erneutem Bruch seiner Verpflichtungen verbietet uns der Herzog von Savoyen,
durch sein Landesgebiet zu ziehen, um Casale Beistand zu leisten. Mehr noch, wie ich höre, ließ der Herzog von allen seinen
Gütern Heu und Lebensmittel abtransportieren, damit unsere Armee sich nicht im Land verproviantieren könne. Angesichts dieses
neuen Verrats halte ich es für das beste, anzugreifen und Savoyen künftig als Feindesland zu betrachten. Sire, ich erwarte
Eure Befehle als Euer wie immer demütiger, treuer und ehrerbietiger Diener.
Richelieu
Ludwig wurde tiefrot, als er die verdrießlichen Nachrichten über den Herzog von Savoyen las, den er so lange mit seltener
Milde in Anbetracht ihrer familiären Bande behandelt hatte. Der |170| Sohn des Herzogs war bekanntlich mit der Schwester des Königs verheiratet. Doch die Familienbande hielten seinem Zorn nicht
länger stand. »Meiner Treu!« sagte er, »wenn er Krieg will, soll er ihn haben!« Diesmal setzte er nicht hinzu »bis über beide
Ohren«, doch ich würde wetten, daß er es dachte.
In den langen Wochen, die ich auf Nachrichten von Richelieu wartete, empfing ich mehrmals Fogacer zum Mittagessen, und er
gab mir die im Beichtstuhl gehörten Berichte weiter. Es war erschreckend, was in gewissen Kreisen des Hofes und der Stadt
über den König und über Richelieu geredet wurde. Exakt wiederholte ich all diese niederträchtigen Reden dem König. Nur einmal,
ein einziges Mal, erlaubte ich mir, nicht ohne Scham und Unbehagen, ein Wort zu ändern, weil es den Toren, der es gesprochen,
in große Gefahr gebracht hätte.
Dieser Tor war mein Halbbruder, der Herzog von Guise. Der Leser erinnert sich vielleicht, daß dieser als junger Mann, zum
Abscheu und Schrecken des Gesindes, in seinem Pariser Hôtel einen Löwen aufzog, um mangels Geist und Wissen wenigstens Mut
zu zeigen. Wirklich bestaunte der Hof ein, zwei Tage lang diese
bravura
, dann war man es satt und zog über den Gernegroß her.
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