Rache der Königin
nehmen.«
»Nun, dann tragt es dem König vor, aber ich bezweifle, daß er es annimmt. Wir stehen vor einem Krieg, zu einem solchen Zeitpunkt
kann man nicht ein Ministeramt aufgeben, und schon gar nicht ein Ministeramt von so großer Bedeutung wie das Eure. Daran ist
gar nicht zu denken.«
Dieses zumindest unzeitgemäße Ersuchen wurde bald dem ganzen Hof bekannt, und unsere bösen Mäuler wußten sich vor Kommentaren
nicht zu lassen. Die einen sagten, Marillac wolle den König allein durch das Gewicht seiner Demission davon abbringen, in
den Krieg einzutreten, die anderen, »der Siegelbewahrer hat gut daran getan, zur Tür hinausgehen zu wollen, denn es kommt
der Tag, da man ihn aus dem Fenster werfen wird«.
Indessen konnte der König nicht nach Italien aufbrechen, ohne sich mit seinem Bruder geeinigt zu haben, der sich noch immer
von unserem schlimmsten Feind, dem Herzog von Lothringen, feiern ließ, was, wie Richelieu gemeint hatte, »ein harter Knochen«
war. Wir wären damit nie zu Rande gekommen, hätte nicht Maria von Gonzaga an Gaston geschrieben und ihn gebeten, auf sie zu
verzichten, denn eine heimliche Vermählung, die Ludwig XIII. verärgern würde, brächte ihren Vater, der in Mantua von den Kaiserlichen
belagert wurde, in große Gefahr, sein Heil hänge ganz vom König von Frankreich ab.
Doch der Verzicht Maria von Gonzagas genügte nicht, die Dinge voranzubringen. Gaston klammerte sich wie toll an seine maßlosen
Forderungen nach Ländereien, Titeln und Geldern, womit er bewies, daß das Geld für ihn mehr zählte als |161| Maria. Und als ich die Geschichte Catherine erzählte, sagte sie, das Mädchen tue klug daran, ihn nicht zu heiraten.
Der König, der Paris nicht verlassen wollte, solange Gaston nicht zurückgekehrt war, andererseits auch nicht länger warten
wollte, beschloß, zunächst Richelieu mit dem Gros der Truppen nach Italien zu senden, um selbst nachzukommen, sobald er mit
seinem Bruder Frieden geschlossen hätte.
Catherine war verzweifelt, als sie aus meinem Mund von diesem Aufbruch hörte. Sie fürchtete, Richelieu werde mich abermals
als Dolmetsch mitnehmen wollen nach Italien. Und ihre Befürchtungen wurden ihr zur Gewißheit, als mir am Tag nach dem Königlichen
Rat ein reitender Bote meldete, der Kardinal wünsche mich dringend im Palast zu sehen. Catherine schlang mit aller Kraft ihre
Arme um mich und sagte unter Tränen, dieses »dringend« heiße doch, daß der Beschluß schon feststehe und daß der Kardinal mich
ihr entreißen wolle, um mich in die Kälte der Alpen zu entführen, wo ich mit Sicherheit von einer Kugel niedergestreckt oder
zerfetzt oder womöglich sogar von der Pest getötet würde.
»Mein Lieb«, sagte ich, »›dringend‹ aus dem Munde des Kardinals hat nichts weiter zu bedeuten, denn ihm fehlen immer Sekunden
an der Minute und Minuten an der Stunde, um seine gewaltige Arbeit zu bewältigen. Was er mir heute mitteilen will, weiß ich
wirklich nicht und will es auch noch nicht vermuten. Im übrigen bin ich nicht der einzige Edelmann am Hof, der Italienisch
spricht. Marschall von Créqui zum Beispiel, um nur einen zu nennen.«
»Aber er ist alt und krank.«
»Krank ist er nicht mehr. Es geht ihm bestens, und sein Alter hindert ihn nicht, wie immer den Unterröcken nachzulaufen.«
Was keine sehr gewöhnliche Bemerkung von mir war.
»So wie Ihr, Monsieur, es vor Eurer Heirat auch tatet«, sagte Catherine im Ton eines urteilenden Richters. »Und wie Ihr es
zweifellos morgen in Italien wieder tun werdet«, setzte sie mit bebender Stimme hinzu. »Gott, wie ich dieses Land hasse! Samt
all seinen Bewohnern, Männern wie Frauen! Frauen vor allem! Mit ihren jettschwarzen Augen, ihrem matten Teint, ihren dunklen
Haaren! Sagt, was Ihr wollt, aber dieses ganze Schwarz haben sie nicht umsonst! Glutöfen alle! Ausgemachte Huren! Teufelinnen!«
|162| »Madame«, sagte ich, »Ihr geht zu weit! Ihr beschimpft das italienische
gentil sesso
.«
»Gentil sesso!«
schrie sie. »Immer habt Ihr Euer
gentil sesso
im Mund! Und traut Euch auch noch, es zu verteidigen!«
Du lieber Gott! dachte ich, kann ich nicht ein Wort sagen, ohne daß es mir im Munde umgedreht wird? Und immer gegen mich?
Und wieder ist Catherine völlig besessen von ihrer Eifersucht! Hätte ich von den italienischen Schwestern doch niemals und
schon gar nicht so freundlich gesprochen! Ach, Leser! daß wir mit unseren empfindlichen Frauen nie vorsichtig
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