Rache der Königin
werden, damit man wenigstens Zeit gewinnt. Und es müßten
eigentlich zwei Verhandlungen geführt werden: eine mit Spanien über Casale, für die wir um die Vermittlung des Papstes und
Mazarinis ersuchen könnten, und die andere, ohne Vermittler, um unsere Differenz mit dem Kaiser beizulegen.«
Hier wurde mir angst, fürchtete ich doch, wegen meiner Deutschkenntnisse zum österreichischen Gesandten bestimmt zu werden,
aber der Kardinal hatte offenbar anderes mit mir vor, denn er fragte den Pater Joseph und Monsieur Brulard de Léon, ob sie
gewillt seien, Rücksprache mit den Kaiserlichen aufzunehmen. Das Wort »gewillt« im Munde des Königs oder des Kardinals ergötzte
mich immer wieder, und der Leser weiß, warum. Diesmal tat es mehr als mich ergötzen. Es erleichterte mich.
Hierauf beurlaubte der König seine Räte, nur den Kardinal und mich bat er zu bleiben, was mir doch eher als gutes Vorzeichen
für meine neue Mission erschien.
|193| Kaum hatte die Tür sich hinter den Scheidenden geschlossen, wandte sich Richelieu an den König.
»Obwohl ich weiß, Sire, daß Grenoble nicht weit von Lyon liegt, bin ich doch baß erstaunt, daß Monsieur de Marillac den Fall
von Mantua fast ebenso schnell erfahren hat wie wir, denn das beweist das Sendschreiben, das ich heute von ihm erhielt.«
»Und was sagt er über den Fall von Mantua?« fragte der König.
»Ich will nicht behaupten, daß er triumphiert oder Schadenfreude empfindet, aber offensichtlich bereitet ihm dieser schwere
Rückschlag für unsere Armeen keinen Kummer. ›Wir werden uns‹, schreibt er, ›mit jedem neuen Tag wohl auf noch viele solcher
schlechten Nachrichten gefaßt machen müssen.‹«
»Wer anderen Unglück prophezeit, der wünscht es im stillen«, sagte Ludwig. »Diesem Narren geht sein Spanien so über alles,
daß er es immer siegreich sehen will, sogar über sein eigenes Vaterland.«
»Ich fürchte auch«, sagte Richelieu, »daß die Kabale sich diesen Sieg des Feindes entschieden zunutze machen wird, und weil
man sich an Euch nicht heranwagt, Sire, wird man auf mich einschlagen. Vielleicht wäre es das beste, Sire, wenn Ihr nach Lyon
ginget und damit der Gegenpartei ein wenig den Wind aus den Segeln nähmt, sonst verklagt man mich womöglich noch, ich wolle
Euren Tod, indem ich Euch an pestverseuchten Orten festhalte.«
»Ich überlege es mir«, sagte Ludwig in der verschlossenen Art, die er immer annahm, wenn er dem Eindruck begegnen wollte,
er gebe Richelieu in allem nach.
»Sire«, sagte der Kardinal, »der Wille Eurer Majestät geschehe. Und sollte Eure Majestät sich zur Abreise entschließen, wünschte
ich, daß der Herzog von Orbieu mit Euch geht, und sei es nur, um sich mit dem Domherrn Fogacer und seinen ›Beichtkindern‹
in Verbindung zu setzen. Gott weiß, wie nötig es ist, uns in diesen schwierigen Tagen über alles Gehetze und alle Umtriebe
auf dem laufenden zu halten.«
Wie vorauszusehen, reiste der König, und ich durfte mit. Von Grenoble nach Lyon ist es auf der Landkarte eine kurze Entfernung,
aber der Weg war lang, und das bei drückender Hitze. Hinzu kam, daß wir an den Etappen auf ziemlich miserable Quartiere trafen,
und überall war die Rede nur von der |194| Pest, die anscheinend fast genauso schnell wie wir gen Norden reiste.
Einen Großteil der Reise legte ich in meiner Karosse zurück, zweimal wurde ich von Ludwig in seine eingeladen: das erstemal
zusammen mit Monsieur de Guron und dem königlichen Leibarzt Bouvard, das zweitemal allein. Da Bouvard sehr redegewandt und
Guron ein großer Schwätzer war, holte Ludwig mich wahrscheinlich, weil er wußte, daß ich schweigen konnte, wenigstens in seiner
Gegenwart.
Als ich nun sah, wie Seine Majestät sich ins Polster lehnte und die Augen schloß, dachte ich, daß er schlafen wolle oder doch
so tat, um sich meines Schweigens zu versichern, also ließ auch ich die Lider sinken. Zuerst dachte ich an meinen Vater, wie
sein Alter doch so schön von Margots blondem Haar vergoldet wurde, wie der liebenswerte Miroul ihm nach wie vor Gesellschaft
leistete, die tüchtige Mariette seine Wirtschaft führte und für Töpfe und Braten sorgte, dann wanderten meine Gedanken von
der einen Familie zur anderen, zu meiner Catherine, meine ich, und meinem kleinen Emmanuel, die ich nun in wenigen Tagen wiedersehen
sollte, wodurch meine Ungeduld, nach Paris zu kommen, noch mehr wuchs. Und wie meine beiden, Mutter und Sohn, mir
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