Rache der Königin
mit großen und bequemen
Häusern, wo sie in keiner Weise gefährdet wären, denn der Krieg ist in weiter Ferne.«
»Ich weiß die Gründe nicht«, sagte ich, »wir können sie nur erraten. Daß sie in Lyon bleiben, hat vermutlich nichts mit ihrer
Sicherheit zu tun.«
»Ich nehme an«, sagte Fogacer, »es hat einen politischen Grund.«
»Wenn er politisch ist«, versetzte ich, »dürfte er die Königinmutter betreffen. Und nur um das Manöver zu kaschieren, ließ
man auch die Königin dort.«
»Und worin sollte das Manöver bestehen?« fragte Fogacer mit seinem gewundenen Lächeln, die Brauen nach den Schläfen hin gesteilt.
|188| »Die Königinmutter zu hindern, wenn in Grenoble Rat gehalten wird, sich öffentlich für einen Frieden um jeden Preis mit dem
sakrosankten Spanien in die Schanze zu werfen.«
»Was allerdings«, sagte Fogacer, »für feindliche Ohren ein wahres Labsal gewesen wäre, und sei es nur für die gewisser Gesandten.
Sie hätten ihren Herren sofort fröhliche Berichte zugehen lassen über die Uneinigkeit innerhalb der königlichen Familie Frankreichs
und über die unzweifelhaft daraus zu folgernde Schwäche bei der Fortführung des Krieges.«
»Indessen«, sagte ich, »muß ja eine Art Rat zusammenkommen, um mit dem König zu entscheiden, ob Krieg geführt werden soll
oder nicht.«
»Nur wird es eben nicht der Große Rat sein«, sagte Fogacer, »weil die Königinmutter sowie etliche der Herren Räte in Lyon
geblieben sind. Demnach wird in Grenoble lediglich der einfache Kriegsrat zusammentreten, bestehend aus den Marschällen von
Frankreich und den Feldmarschällen. Die aber sind über die von den Kaiserlichen angebotenen ›unannehmbaren und schandhaften‹
Friedensbedingungen so entrüstet, daß sie einmütig für den Krieg stimmen werden.«
»Und damit«, sagte ich, »wäre es also geglückt, die Königinmutter der Beratung fernzuhalten, was man ja wohl einen hübschen
Schachzug nennen darf.«
***
Das Votum des Kriegsrates, der am zehnten Juni in Grenoble zusammentrat, war in der Tat einstimmig. Er verwarf die Angebote
der Kaiserlichen und beschloß, Savoyen zu besetzen, sowohl um den regierenden Herzog für seine Schofeleien zu strafen wie
auch um Faustpfänder zu nehmen und sich damit gegen einen feindlichen Angriff zu sichern. Die Eroberung Savoyens ging blitzschnell
– Chambéry, Rumilly und Annecy waren in vierzehn Tagen genommen –, und der König war hoch entzückt.
»Warum das, Monsieur? Warum entzückte es Ludwig, sich dieser Städte zu bemächtigen, die ihm nicht gehörten?«
»Na nun, wer spricht da? Sind Sie es, schöne Leserin, die sich unangemeldet in meine Erzählung einmischt? Mich dreist unterbricht?
Und vor allem anklagende Fragen über meinen König stellt?«
|189| »Und wenn ich um Verzeihung bitte, Monsieur? Würde Ihnen, statt reuiger Zerknirschung, ein Wörtchen des Bedauerns genügen,
sich zu besänftigen? Sie sollen für gewöhnlich doch so duldsam gegen das
gentil sesso
sein, das Sie so sehr lieben.«
»Darf ich dem entnehmen, meine Freundin, daß ein Wörtchen des Bedauerns Ihre Selbstherrlichkeit weniger schmerzen würde als
reuige Zerknirschung?«
»Bestimmt. Sollte eine Dame einem Edelmann das Bonbon nicht immer hoch hängen, gerade wenn die Dame im Unrecht ist?«
»Ist das Ihr ›Wörtchen des Bedauerns‹?«
»In der Tat, Monsieur.«
»Das genügt, liebe Freundin. Wenn der Sünder aussieht wie Sie, kann ich seinen Tod nicht wollen.«
»Wie galant!«
»Und besser noch: hier die Antwort auf Ihre Frage. Der König bemächtigt sich dieser Städte, um sich Faustpfänder gegen die
Spanier zu schaffen, und nicht, um sie zu behalten. Mit dem Ende des Krieges wird er sie ihrem Besitzer zurückgeben, genauso
wie sein Vater es 1601 machte, als der Herzog von Savoyen sich töricht vermaß, Grenoble zu belagern. Henri fiel in Savoyen
ein, und sobald Frieden war, gab er dem Herzog von Savoyen seine Städte wieder. Er behielt nur ein paar Stücke Land, um sein
Reich abzurunden.«
»Und Ludwig wird das gleiche tun?«
»Ja! Mit Ausnahme von Pignerol wird er alles zurückgeben, dann aber nicht mehr dem armen Herzog, der jetzt fast auf den Tod
darniederliegt, sondern seinem Sohn und Erben, dem Prinzen von Piemont, der, wie Sie wissen, ein reizendes Fräulein geheiratet
hat: Christine von Frankreich. Sie wollen doch nicht, liebe Freundin, daß Ludwig seinem Schwager das Gefieder rupft?«
»Noch ein Wort, bitte,
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