Rache: Die Eingeschworenen 4
Sorben. Es gibt viele kleine Stämme auf beiden Seiten des Flusses, aber die meisten sind Untertanen der Sachsen im Westen.«
Er schwieg und steckte den nassen Finger in den Mund, während wir alle auf die gewundene Linie starrten, als müsste sie jeden Moment zum Leben erwachen und sich weiter über den Tisch schlängeln.
» Am Ostufer sind mehr Wenden und Sorben, aber auch die Polen von Fürst Mieszko, die ziemlich weit nach Norden vorgedrungen sind– erst letztes Jahr haben sie die Sachsen bei Cedynja geschlagen, und das ist gar nicht weit von uns. Jetzt schütteln die Sachsen und die Polen über den Fluss hinweg drohend die Fäuste, und wenn es so weitergeht, ist der Handel bald ruiniert.«
Er zog die Brauen zusammen, wischte die gewundene Linie mit einer Handbewegung weg, und wir kehrten zu den ursprünglichen Problemen zurück.
» Niemand will in dieser Situation ein Kriegsschiff auf dem Fluss sehen«, fügte er hinzu. » In Ottos sächsischen Festungen am Westufer wird man denken, ich habe euch geschickt, um Unfrieden zu stiften. Und am Ostufer sind polnische Festungen, wo man dasselbe denken wird.«
» Aber so weit werdet ihr gar nicht kommen«, sagte Ljot und grinste verächtlich. » Denn da gibt es noch ganz andere Stämme, die euch schon vorher fressen werden.«
Niemand sprach. Dann räusperte Pallig sich und breitete großzügig die Hände aus.
» Ja, so sieht es aus«, sagte er. » Aber wenn ihr von hier fortzieht, sollt ihr nicht das Gefühl haben, wir hätten euch nicht gut behandelt, deshalb lade ich euch und den jungen Prinzen Olaf heute zu einem Festgelage in meiner Halle ein.«
Ich dankte lächelnd, was mir nicht ganz leicht fiel, denn meine Gesichtsmuskeln wollen eigentlich etwas anderes zum Ausdruck bringen. Die Arroganz dieser Brüder war das eine Problem, das andere war Styrbjörn und wie ich ihn freibekommen würde. Aber am schlimmsten war der Gedanke daran, was die Polanen– von den Brüdern verächtlich » Polen« genannt– machen würden, wenn sie das Masurenmädchen fanden, das sie in Sicherheit im fernen Land wähnten, als Geisel bei der Tochter ihres Königs.
Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, was Vuokko auf seiner Trommel gesehen hatte, damals an dem Abend, als wir die sichere Heimkehr von Eiriks Kind gefeiert hatten. Wie eine Heimsuchung war der Finne aus dem Schatten getreten, gerade als Finn und ich gehen wollten, um Jarl Brand aufzusuchen.
» Ich habe gefragt, und die Trommel hat gesprochen«, hatte er mit seinem dicken Akzent gesagt. » Sie sagt, ihr sollt das Masurenmädchen mitnehmen.«
Bei drei Runen, die er befragen konnte, hätte die Trommel ruhig etwas mehr sagen können, aber ich war in der Nacht zu Sigrid gegangen. Ich hatte mich ein bisschen geschämt, nur aufgrund der Trommel zu kommen, aber ich hatte sie gebeten, mir die Amsel mitzugeben, die eigentlich Schwarzauge hieß. Und obwohl sie wusste, welchen Wert das Mädchen für ihren Vater darstellte und was mein Ziel war, gab sie es mir mit. » Für den Verlust meines Gebärstuhls«, wie sie sagte.
Jetzt war Schwarzauge wie ein Gepäckstück auf der Kurzen Schlange verstaut und quälte mich wie ein abgebrochener Fingernagel, als wir zum Schiff zurückgingen, wo Finnlaith und Aljoscha die Männer antrieben, die Vorräte schneller an Bord zu bringen.
Jetzt scharten sie sich um uns und wollten hören, was jeder gesagt hatte, also berichtete ich.
» Am besten machst du diese Joms-Trottel gleich fertig«, knurrte ein riesiger Schwede namens Asfast, als ich fertig war.
» Brenn die ganze Burg nieder«, hetzte Abjörn, » so wie Ljot Hestreng niedergebrannt hat.«
» Ljot hat Hestreng nicht niedergebrannt«, wandte Rorik Stari ein. » Das war Randr Sterki.«
Es gab Stimmen dafür und dagegen, dass wir sie gleich überfallen und umbringen sollten, man wollte Blut und Feuer sehen. Andere murrten auch, dass wir überhaupt flussaufwärts fahren wollten, denn dort gab es wahrscheinlich nichts, was einen Raubzug rechtfertigte.
Also klärte ich sie alle über den wahren Grund auf.
» Es gibt zwei Dinge, die wir erledigen müssen«, sagte ich. » Erstens müssen wir Styrbjörn befreien, weil König Eirik es so will.«
Finn knurrte, sagte aber nichts, denn nur er und ich wussten, dass wir ihn auch töten sollten, weil Jarl Brand es so wollte, obwohl weder er noch ich bisher wussten, wie wir aus diesem Kreis ein Quadrat machen würden.
» Und zweitens muss ich meinen Fostri finden«, fuhr ich fort, » denn es
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