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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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spendierte für mich noch ein Bier. Nun räumte ich mein Fahrzeug aus. Weil es ihm zu lange dauerte, stellte er mir einen Helfer dazu, der sich mit dem Kleinkram beschäftigte. Als die Tapeziertafeln mit Ware aufgebaut waren, befand sich in meinem Fahrzeug noch eine Menge Glas und Porzellan. Abdullah brachte mir noch einen alten Tisch und zwei alte Stühle, sodass ich alles an Ware zur Schau stellen konnte. Der erste Kunde war Abdullah selbst, der in den Schellackplatten wühlte und um die dreißig Titel ankaufte. Dabei fischte er das Lied «Im Grunewald ist Holzauktion!«, «Das Lied von der Krummen Lanke« und mehrere Militärmärsche und Jazzplatten aus den vierziger Jahren gesondert heraus. Anschließend knallte er mir einen Zweihunderter und einen Fünfzigmarkschein auf den Tisch. Dann lud er mich zum Mittagessen ein, nach seinem Dafürhalten ganz pompös. Hasan kündigte an, dass es ,deutschä Küche‘ sei. Dann erklärte er mir, dass er erst zehn Jahre in Deutschland leben würde und aus diesem Grund an ein akzentfreies Deutsch noch nicht zu denken sei. Seine Kinder, sagte er mir, würden zweisprachig aufwachsen und manchmal sogar berlinern. Er sprach ganz vornehm von Pommes frites mit Beilage. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. Nach dem Mauerfall begann sich nämlich eine Art »Pommes-Gesellschaft« zu entwickeln, dort, wo der Dönerkebab, also der Döner, fast unbekannt war. Inzwischen hatte ich dieses Pommeszeug bis obenhin satt. Dann gab es Knacker mit »Beilage«. Für Hasan war die Beilage eigentlich nur Ketschup, mit dem die Wurst bestrichen war. Dazu gab es eben Pommes.
    Hasan führte mich durch einige Marktgassen, dann landeten wir an seinem Bistro, was aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt soviel heißt, wie -kleines Lokal-, doch weit gefehlt! Wir betraten lediglich einen Schuppen, in dem es nach Frittüre roch und furchtbar nach Knoblauch stank. Hasans Frau schmiss den Laden. Sie hatte ihr Kopftuch eng um den Hals geschnürt, um zu verhindern, dass die Zipfel in die Fritteuse gelangten. Dann nahm sie einen großen Papiersack und ließ Pommes in das siedende Fett rutschen. Wir nahmen auf übereinander gestapelten Gemüsekisten Platz, die um ein Tischprovisorium aus gehobelten Brettern standen und schlürften wieder Kaffee aus Pappbechern. Trotzdem, ich fand die Atmosphäre urgemütlich. »Nun, wenn do lieber türkisch willst, dann nimm Dööner, sind sehr gutt!«, sagte Hasan. In einer Ecke des Schuppens befand sich nämlich ein Dönerspieß mit Hammelfleisch. Ich wählte den Döner und bat, mir Fleisch und Salat, ohne diese knoblauchhaltige Remouladensoße, auf einen Teller zu legen. Hasans Frau tat es und setzte sich mit ihrem 10-Jährigen Sohn und ihrer 8-jährigen Tochter zu uns. Jeder von ihnen hatte einen riesigen Döner in der Hand und biss hinein. Ich befürchtete, dass alle drei die »Maulsperre« bekommen würden. Dann holte Frau Abdullah eine große Haushaltsrolle an den Tisch und riss einige Papierstücke davon ab. Alle wischten sich die Remoulade aus den Mundwinkeln und vom Kinn. Dann knallte Hasans Frau eine große Thermoskanne Kaffee auf den Brettertisch, den sie vorher mit bunten Servietten dekorierte und goss unsere Pappbecher noch einmal bis zum Rand voll.

    Das Geschäft florierte. Von den fast fünftausend Ansichtskarten waren dreitausend verkauft – das Gros allerdings zum Pauschalpreis. Dabei bin ich gut weggekommen, weil sich in den Kartenstapeln größtenteils Massenware verbarg. Auch das Geschäft mit sonstigem Kleinkram, wie Trödel und diversen Kleinantiquitäten, lief vortrefflich. Ich hatte inzwischen weit über 2000 DM eingenommen, dazu kamen die 250 DM von Hasan. Aus meinem eigenen Fundus brachte ich eine ganze Menge alten Hausrates unter die Leute. Ich dachte gar nicht daran, Mackenrodt darüber zu informieren.
    Hasan hat mir Logis angeboten, d. h., eine Nacht auf seinem ,Gästekanapee‘ bei ihm daheim. Das lehnte ich ab, weil ich plante, abends ab 19.00 Uhr meine Heimreise anzutreten. Hasan entgegnete viel später, Mackenrodt hätte entschieden, über meinen Kopf hinweg natürlich, dass ich den morgigen Sonntag dafür verwenden solle, den Rest der Ware »abzudrücken«. Schließlich würde Mackenrodt den Transport finanzieren. Natürlich war das der Zungenschlag Mackenrodt’s. Ich war mir sicher, dass Hasan hinter meinem Rücken mit ihm telefoniert hat. Was wollte ich tun? Also blieb ich über Nacht am Brandenburger Tor, so, wie andere

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