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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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Und Trude war gerade dabei, die Boulette mit Grünzeug zu dekorieren. Nun hielt sie inne und antwortete: »Also Menneken! Koof dir doch deine Boulette bei euch drüben in ‘ne HO, vastehste?!« Die Krönung des ganzen war, dass der Kunde aus Adlershof lediglich einen winzigen Mostrichklecks auf die Nasenspitze bekam, sonst nichts! Dann verschwand der Mostrichlöffel wieder in der Versenkung. Das war Trude, wie sie leibte und lebte! Seit dem Problem mit dem ,Standort Reichstag‘ verkaufte Trude Sommer wie Winter ihre Ware auf dem Flohmarkt in Tiergarten. Im Winter lief auch das Glühweingeschäft gut.
    Gegen vier Uhr nachmittags war zwar meine Ware fast verkauft, allerdings bin ich fast verzweifelt. Die Kaufkundschaft tat sich verdammt schwer. Alles wurde x-mal in die Hand genommen und hin und her gedreht. Trotzdem, ich war von der allgemeinen Atmosphäre höchst angetan.

    Hasan hatte inzwischen seinen Schuppen auf einen LKW gehievt. Dieses Gehäuse war aus einem Stück »gefeilt«. Das leichte Dach war innen mit starken Holmen versehen und somit statisch abgesichert. Um den Schuppen herum fummelte man einfach zwei lange Stahlseile und befestigte sie am Lasthaken eines Hebezeuges.
    Hasan kreuzte noch mal auf. »No, man sieht sisch – vielleicht nächste Woche?«, fragte er. »Natürlich, aber das hängt von Mackenrodt ab!«, entgegnete ich.
    Am Abend gegen sechs Uhr trat ich die Heimreise nach Leipzig an. Montag früh war ich mit Mackenrodt verabredet.

Der Leichenfledderer

    Mackenrodt kreuzte eigenartigerweise schon 8.00 Uhr morgens bei mir auf. Über geschäftliche und organisatorische Belange sprach er heute nicht. Ich fragte nach dem Grund, doch ich bekam keine Antwort. Schließlich hatte er seinen Schützling Zangenberg gefeuert und ihm dennoch eine Abfindung von mehr als zwanzig Riesen überlassen, trotz des Unsinns, den er verzapfte. Das saß Mackenrodt nun doch tief im Nacken. Zangenberg hatte sich verriegelt und verrammelt und das schon mehrere Tage, also konkret seit Mittwoch. Mackenrodt sah vor, Kalle im häuslichen Gefilde aufzusuchen. Dabei sollte ich ihn begleiten. Ich tat es ungern. Wiederum machte ich mir darüber Gedanken, was aus Kalle geworden ist. Sein Schlüsselversteck hinter der Flurgarderobe war ja bekannt. Wir fuhren also gemeinsam in die Georg-Schumann-Straße. Unsere Hoffnung hatte sich erfüllt – der Zweitschlüssel befand sich nach wie vor in seinem Versteck. Alles sprach dafür, dass Zangenberg anwesend war. Um ehrlich zu sein, mein Herz schlug bis zum Hals, weil ich Schreckliches ahnte. Ich fingerte den Wohnungsschlüssel hinter der Flurgarderobe vor. Mackenrodt riss ihn mir aus der Hand und schloss die Tür auf. Ein furchtbarer Gestank schlug uns entgegen. Kalle lag auf der Couch und war scheinbar an jenem Mittwoch gestorben. Er starrte an die Decke. Ich sah in Kalles Gesicht – es sprach Bände. Der Ausdruck war der eines Enthusiasten, eines Denkers und Grüblers zugleich. Ich hatte das Gefühl, als wäre Kalle »im Nirgendwo«. Dabei übersah ich alles, was der Zahn der Zeit in Kalles Gesicht, also von Mittwoch bis zum Montag und in der Schwüle des Sommers angerichtet hatte. »Det is bloß ’n chemischer Vorjang!”, bemerkte Mackenrodt. Das war alles, was er zum Tod Kalles von sich gab. Die Ursache dessen an sich war leicht zu lokalisieren. Kalle hatte eine Mixtur aus Schlaftabletten und hochprozentigem Alkohol fabriziert, mit der er sich gewollt oder ungewollt umbrachte. Mackenrodt hatte in den wenigen Sekunden das halbe Wohnzimmer auf den Kopf gestellt, um nach restlichem Zaster zu suchen. Das Chaos in Kalles Wohnung war nun größer als vorher. Weil Mackenrodt die Eigenheiten Kalles kannte, durchsuchte er die unmöglichsten Stellen und fand tatsächlich um die dreitausend DM. Dann machte er sich über Kalle her. Er versuchte, ihn auf die Seite zu drehen, um so unter das Polster zu gelangen, auf dem er lag. An Kalles Körper befanden sich ohnehin nur Turnhose und Unterhemd. Jetzt versuchte Mackenrodt, mit dem rechten Unterarm unter das Polster zu gelangen, um in das Innere des Möbels greifen zu können. Dann fuhr er mit seiner dreckigen Hand zwischen Polster und Sofalehne hin und her, um festzustellen, ob dazwischen nicht etwa der Rest des Geldes versteckt sei – nichts! Dann wollte er Kalle einfach von der Couch werfen, um diese nach oben kippen zu können. Das ging mir natürlich über die Hutschnur. Ich schickte mich an, die Polizei zu holen, doch Mackenrodt drohte,

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