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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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mich zu feuern. In seiner ersten Euphorie wollte er mich sogar aus Kalles Wohnung werfen. Da machte sich plötzlich ein Geräusch breit, das wie leises Stöhnen klang. Es war Kalle, oder besser gesagt, der chemische Vorgang in ihm. Mackenrodt wurde blass wie der Körper Kalles. Er fasste sich mit der rechten Hand an den Hals, als wäre er dem Erstickungstod nahe. Erst wollte er die Leiche Kalles fleddern, dann kam die Mimose in ihm durch und nun glaubte er auch noch an einen Fluch aus dem Jenseits. Vom Entsetzen gepackt stürzte Mackenrodt ins Treppenhaus. Ich war der Meinung, dass ihm sein momentaner Zustand recht geschah. Gestraft hatten ihn die »guten Geister«, die ihn verlassen hatten. Ich lief zur nächsten Telefonzelle und rief das Polizeirevier Ritterstraße an.

    Kalle starb also an einer Überdosis Schlaftabletten, eben in Verbindung mit konzentriertem Alkohol. Da kein Abschiedsbrief existierte, ging man davon aus, dass sich Kalle aus Versehen umbrachte. Man nagelte uns etwa zwei Stunden auf dem Polizeirevier fest. Der wichtigere Zeuge von uns beiden war natürlich Mackenrodt, da er bislang in enger Beziehung zu Rosa Zangenberg, also Kalles Mutter, stand. Mackenrodt versuchte, sie noch am gleichen Abend vom Ableben ihres Sohnes telefonisch zu informieren, doch ohne Erfolg. Dies gelang erst am Donnerstag früh gegen fünf Uhr. Frau Zangenberg war unbeeindruckt vom Tod ihres Sohnes Konrad. Sie reagierte sogar brüsk wegen des frühmorgendlichen Anrufes und gab lediglich an, eine stressige Nacht hinter sich gebracht zu haben. Um wenigstens noch etwas an Schlaf nachholen zu können, gedachte Frau Zangenberg nun, in irgendeinen Mittagszug Berlin-Leipzig zu steigen.

Drei Scheine für mich, einen für dich, ...

    Die Abrechnung des Flohmarkterlöses vom Wochenende erfolgte zwei Tage später, also am Dienstag. Ich packte Mackenrodt etwa 2.500 DM in 50 DM-Scheinen auf den Tisch. Er zählte zweimal, steckte alles in seinen »Rockaufschlag« wohl aus Versehen. Dann sah er mich einige Sekunden an und legte mir als Lohn fürs Wochenende fünf Zwanziger vor die Nase. Ich schluckte. Danach folgten noch fünf Zehner Spesen für Samstag und Sonntag. Jetzt nahm er diese Scheine wieder weg und legte kulanterweise drei Zwanzigmarksscheine auf den Tisch, schnappte die fünf Zwanziger, die er mir fürs Wochenende gab und ersetzte sie einfach nur durch zwei größere Scheine, also Fünfziger. Mackenrodt war der Meinung, dass er mich dadurch reicher belohnt hätte. Das Spiel war noch nicht zu Ende. Er zauberte schon wieder zwei Fünfmarkscheine aus der Brusttasche, die er vermutlich gegen einen Zwanziger tauschen wollte. Ich schnappte das Geld einfach, was da vor mir auf dem Tisch lag und fertig war’s! Mackenrodt jammerte wieder mal wegen zu hoher Kosten. In Wirklichkeit waren sie das Defizit, welches durch das Komplott mit Familie von Zangenberg entstanden war. Dass ich z.B. die alten Ansichtskarten abzweigte und Mackenrodt betrog, stimmte mich glücklich. Somit hatte ich mit Spesen und Wochenendlohn, inklusive des Zasters von Hasan, immerhin einen Reingewinn von über 500 DM in der Tasche. Was ich die Woche über an Ware in den Haushalten erwarb, lagerte ich erst einmal bei mir zu Hause ein. Die Bande zu Charlottenburger und Kreuzberger Händlern waren geknüpft, auch ohne meinen Brötchengeber Mackenrodt. Der hatte sich wieder mal in Unannehmlichkeiten gestürzt, die durch die Zangenberg inszeniert wurden. Rosi ist inzwischen zur Rummelsburger »Puffmutter« aufgestiegen. Während dieser Phase legte sie ihren erfundenen Adelstitel ab. Und, sie war Mackenrodt’s Flamme, von der er nie loskam. Er schloss erst einmal das Lager, d.h., die riesige Werkshalle in Plagwitz. Für den Eutritzscher Lagerraum behielt ich den Schlüssel. Mackenrodt ließ seinen Cadillac stehen, nahm den Kleintransporter und düste für drei Wochen nach Berlin. »Un wenn ick wiedakomme, denn machen wa Jeschäfte, wie se im Buch steh’n!«, schnarrte er durchs offene Fenster, brannte sich eine Zigarette an und war verschwunden. Ich glaubte nicht an Ulli Mackenrodt’s Vorsatz. Außerdem standen seine Geschäfte nie in irgendwelchen Büchern.
    Ich handelte nun erst einmal auf eigene Faust. Übrigens schossen die Antiquitätenmafias wie Pilze aus dem Boden. Aus einem Haushalt der Plagwitzer Karl-Heine-Straße verschwanden währen einer Nacht- und Nebelaktion alte Ölbilder und einige russische Ikonen aus einer Sammlung. Im Obergeschoss schnarchten sich

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