Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
deren Besitzer lautstark durch die Nacht und im Erdgeschoss agierten die Einbrecher. Einen ähnlichen Fall gab es in Leipzig-Leutzsch.
Der Stadtanzeiger – die Sekundärrohstoffflut über Leipzig
»Ach, dor Herr Drehwolke! Was machen Se denn jetzt so? Befassen Se sisch immer noch mit Andequidäten?«, fragte mich neulich Frau Wachsmuth, eine ältere Dame aus unserem Bekanntenkreis. »Ach wissen Sie, ich habe aus den Medien erfahren, dass man Mitarbeiter für den Leipziger Stadtanzeiger sucht, möglichst mit sofortigem Antritt! Diese ganze Geschichte scheint sehr interessant zu sein. Möglicherweise lasse ich dort eine Bewerbung fallen!«, gab ich zur Antwort. »Was sind ‘n Medijen?«, fragte die Dame wieder. Um nicht ganz blöd dazustehen, gab ich das von mir, was ich irgendwann einem Lexikon entnahm. Es war die Definition, mit der die so genannten Medien liebend gern umgingen, z. B., dass sie die »Trägersysteme zur Informationsvermittlung« seien. »Klatschblätter sind’s, weiter nüscht!«, entgegnete Frau Wachsmuth barsch. »Un üwerhaupt, woll’n Se misch veräppeln? Ich war lange genuch Köschin in dor Garl-Marx-Uneversedät Leipsch. Da wees isch, was’n »Medjum« is!« Tatsächlich existierte noch vor kurzem in unserer Nähe eine Lokalität, oder besser gesagt ein nobler »Fresstempel«, mit original Französischer Küche, geführt durch die Inhaberin Catherine Deneuve aus Dijon, der Stadt des Burgunders. Da gab es u.a. Ente »medium« als halbgegartes Federvieh. Und »was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht!«, heißt es da so schön. Catherine blieb, nach meinem dafürhalten schuldlos, auf ihrer Ente sitzen und trank ihren Burgunder allein. Mackenrodt war dort wohl Stammgast und wäre es gern geblieben, zumal die wunderschöne Catherine Deneuve ihm einmal zugezwinkert haben soll. Ich war der Meinung, dass Mackenrodt spann und ich dachte, dass der Deneuve in Wirklichkeit eine Gärfliege ins Auge flog. »Wenn die Catherine nur nicht dichtgemacht hätte, dann ...« Mackenrodt sagte nichts mehr, denn er hatte das Problem »Zangenberg« am Hals.
Für den nächsten Tag war in einem der Konferenzräume des Hotels »Merkur« ein Informationsgespräch betreffs eines Einsatzes beim »Leipziger Stadtanzeiger«, anberaumt. Ich saß inmitten elegant gekleideter, duftender Damen und Dämchen, Herren und Herrchen, die bislang nur ,blaue Briefe‘ seit der Vereinigung Deutschlands in ihren Briefkästen fanden. Alle wollten »jobben« was das Zeug hielt, natürlich in den Zeitungsredaktionen und nirgendwo anders! Es gab davon mindestens einhundert Bewerberinnen, die davon träumten, in einem klimatisierten Büro die Tätigkeit einer Redakteurin oder zumindest die einer Redaktionsassistentin auszuüben.
Da gab es für den Kopf der Zeitungen entsprechende Aufmachungen, die sich in bestimmten Farben für die einzelnen Städte niederschlugen. Leipzig hatte z. B. die Farbe Grün und Halle Rot. Die Art der Farben, z. B. die des Grüns, fand ich unmöglich, wenn nicht sogar scheußlich. Das Gleiche traf für die Farbe Rot zu. Das Text-Gros bestand aus Groß- und Kleinanzeigen in allen Schattierungen, sowie aus Werbungen und allgemeinem Tagesgeplänkel. »Wör brauchen natörlisch ‘ne Menge jungor Leute nöch?! Ja, wor wollen expandieren!«, rief ein schmalztolliger, wohl leitender Mitarbeiter des »Kölner Stadtanzeigers« ins »Publikum«. Er saß im Präsidium und präsidierte, umgeben von seinen Mitarbeitern. Um das Ganze gruppierte sich hufeisenförmig die »Bewerbermeute«. Der Redner erhob sich vom Stuhl und stellte sich mit dem Namen Kretzschmar vor. Es war das Einzige, was ich für bare Münze nahm. Kretzschmar trug ein grünes Hemd, so furchtbar grün, wie der Leipziger Stadtanzeiger. Obenauf baumelte eine viel zu kurz gebundene, alberne Krawatte, schräg gestreift und mit gelben Punkten versehen, in meinem Jargon ein so genannter »Kälberstrick«. Das Raumklima war unerträglich. Kretzschmar drehte sich tänzelnd um neunzig Grad nach links und neunzig Grad nach rechts, sodass ihn die Bewerber wahrnehmen konnten. Im Saal war es plötzlich still. »Bässer wär’s, Se wären alle in festlecher Kleidong erschenen, denn för viele wörd’s ‘n Tritt in’n interessantes Berufsleben sein, wenner sech för onseren Stadtanzeijer entscheidet!« Der Redner hatte sich versprochen und mit Tritt Start gemeint. »Se können sojar bes en die Redaktionsleitong aufröcken un janz Deutschland mit seinen
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