Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers
sie zur Tür hinaus, für mich leider auf Nimmerwiedersehen.
Frau Schindler drückte mir vor dem Treffen mit Anzengruber einen Kontrakt in die Hand. Darin war meine Festanstellung beim Leipziger bzw. Hallenser Stadtanzeiger festgeschrieben. Außerdem sollte ich in der Perspektive als Redakteur für die Kulturecke agieren. Das machte mich stolz. Zum Schluss entdeckte ich unter § 12 mein Festgehalt. Es betrug vom Ersten bis zum Letzten des Monats 1200 DM Brutto. Alle elf Paragraphen umfassten Pflichten innerhalb der Absätze 1 bis 4 inklusive der mehr als 2000 km, die für das Betreuen meiner Kundschaft pro Monat und im Durchschnitt zurückzulegen waren. Ich rechnete mir aus, dass das unter § 12 festgeschriebene Bruttogehalt schon für die Finanzierung meines Fahrzeuges draufgehen würde. Sämtliche Arbeitsaufgaben waren in elf Pragraphen verankert. Bekanntlich ist 4 x 11 = 44 und 44 Aufgaben waren zu bewältigen. Aufgaben des Arbeitgebers waren so gut wie nicht fixiert. Ebenso fehlten die Aussagen zu meiner Krankenversicherung. Frau Schindler hatte natürlich keine Aktie am Entwurf dieses merkwürdigen Pamphlets – es war für solche Leute geschneidert, die den Hut mit dem Dampfhammer aufsetzten. Ich ließ es einfach liegen und verschwand für immer aus der Filiale des Stadtanzeigers.
Das Betrugssyndrom und die Entführung
Es war spät am Abend, als ich zu Hause eintraf. Mackenrodt wartete auf mich. »Wo warst’n, ick stehe schon ‘ne Weile hier un sitze wie off Kohl’n!«, sagte er. Dabei ging er mir um den Bart wegen der Jasper-Fuhre nach Braunschweig. »Ick habe mir mit Jasper übaworfen, vaschtehste? Denn sachste einfach, du kommst von’n Tiergarten, also von Anton Hadamitzki – der hat dir den Jasper empfohlen – so! Det war früher ‘n Jeschäftspartna von ihm un ooch von den Abdullah, vaschtehste?!« Ich schrieb mir den ganzen Kuddelmuddel auf einen Zettel. Mackenrodt war ehrlich und informierte mich darüber, dass er von Jasper in der vorigen Woche aus dem Laden katapultiert wurde. »Der treibende Keil war Jaspers Olle, die immer die Preise drückt. Also, wenn die sich einmischt, denn klemmt jarantiert die Säje – also mach det für mir! Ick fahre währenddessen zu Abdullah nach Berlin und nehme den janzen Trödel ausm Lager mit. Hasan is am Sonnabend wieda am Brandenburja Tor, kannst ooch hinkomm’! Außadem hatta nach dir jefracht!« Mackenrodt war superfreundlich, weil er mich wieder mal brauchte »Un denn hältste in Helmstedt an und fährst in’n Heuerskamp. Det is ‘ne Straße, die liecht jleich an’ne Autobahne. Da wohnt Ede. Isses dritte Haus rechts, wenn ‘ne rinkommst!« Bei Ulli Mackenrodt gab es grundsätzlich nur Spitz- oder Kosenamen. Er duzte jeden. Als ich fragte, wie Ede mit dem Familiennamen heißen würde, suchte er ewig und drei Tage in seinem Papierramsch nach der Adresse und fand nichts. »Es wohnt bloß eena in die Bude un det is Ede!«, gab Mackenrodt zur Antwort. Als er mir beschrieb, wie ich diesen komischen Herrn finden würde, hatte ich den Eindruck, als hätte Helmstedt nur einen Einwohner. Dann wurde Mackenrodt bösartig und meinte, ich sollte mich nicht so blöd anstellen, denn das Leuteausfindigmachen sei schließlich mein Job! »Ede vakooft ‘ne blaue Schwalbe, fast neu, kaum jeloofen! Det Jeschäft ham wa telefonisch abjewickelt. Brauchst die ‚Schmette’ nur uffladen – is schon bezahlt, per Postanweisung!« Mir war schleierhaft, wieso Mackenrodt so dämlich war und ein derartiges Objekt fernmündlich ankaufte. Außerdem fragte ich mich, wie er über hundert Ecken zu diesem Fahrzeug kam, ist doch dieses DDR-Moped inzwischen ein begehrtes Sammlerstück geworden. »Also, um Neune früh’s musste bei Jaspa sein, weil er jejen Zehne sein Laden uffmachen tut un denn sachste, det die jesamte Ware dir jehört!« Mackenrodt legte ein Berliner Platt hin, dass ich ihn kaum verstand. Dieses Mal hatte er die genaue Adresse parat. Jaspers Laden befand sich in der Innenstadtstraße -Neue Güldenklinke-. Solch einen lustigen Straßennamen konnte man sich gut merken. Ich war also überpünktlich in dieser Güldenklinke und wartete höflicherweise vor dem Laden darauf, dass der Uhrzeiger auf die Neun rückte. Dann klingelte ich an der Haustür, weil der Laden noch verschlossen war. Öffnungszeiten Mo-Do 10 bis 17 Uhr war da zu lesen. Ich versuchte es nochmals und ließ den Finger gleich auf dem Klingelknopf. Endlich öffnete sich im ersten Obergeschoss ein Fenster
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