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Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers

Titel: Rache - die Handschrift des kleinen Mannes - Erlebnisse eines Leipziger Antiquitaetenhaendlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmidt
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und heraus schaute vermutlich Jasper, mies gelaunt wegen meines Klingelkonzertes so morgens in der Früh. »Ich komme von Hadamitzki!«, rief ich nach oben. Jasper hielt die rechte Hand an die rechte Ohrmuschel. »Ich komme von Ha-da-mitz-ki!«, wiederholte ich. Jasper knallte das Fenster zu, kam herunter auf die Straße und schloss seinen Laden, Antiquariat genannt, von innen auf. Es stank erbärmlich nach Propangas und Kneipe. Jasper war mit karierten Filzpantinen und einer Schlafanzughose bekleidet. Darüber trug er ein speckiges Jackett. Der ganze Kerl war das Ebenbild einer männlichen Schlampe. Ich erzählte mein Lügenmärchen á la Mackenrodt. Jasper fragte mich sofort über Hadamitzki aus. Diesen Typen hatte ich in meinem Leben noch nie zu Gesicht bekommen. Aus diesem Grund versuchte ich, Jasper nach allen Regeln der Kunst abzulenken. Dabei laberte und laberte ich belangloses Zeug über den Flohmarkt in Tiergarten. Ich war froh, dass es Jasper zu viel wurde. Dann fragte er mich, ob ich aus Sachsen stamme, weil man das genau heraushörte. »Ich komme aus dem Osten!«, gab ich zur Antwort. »Ach was! Der Osten befindet sich in Russland. Wir hier sind Deutsche und müssen zusammenhalten, ohne sich gegenseitig ein X für ein U vor zu machen!«, entgegnete Jasper kameradschaftlich. Auf Anweisung Jaspers rangierte ich den Transporter in den Hinterhof und dann mit geöffneter Hecktür dicht an eine offene Garage im Seitenflügel des Gebäudes. Nun begann Jasper meinen Kleintransporter zu durchwühlen und mit seinen dreckigen Latschen auf Mackenrodt’s Büchern herum zu trampeln. Dabei schmiss er gekonnt das Unterste nach oben, um an die Bestseller antiquarischer Literatur zu gelangen. Nach einer viertel Stunde sah das Innenleben meines Fahrzeuges aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Jasper hatte sich einen Zehner-Stapel von insgesamt fünftausend Büchern herausgepickt und begonnen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das geschah erst einmal in der oberen Schicht der Mackenrodt’schen Bibliothek. »Sieht mir wie die Handschrift eines gewissen Mackenrodt aus!«, meinte er. »Treibt sich jetzt als Händler in Leipzig ‘rum. Lassen Se sich bloß nicht mit dem ein – is unse-riös! Kennen Se den? Wer kennt den nicht?!« Ich schüttelte mit dem Kopf und verwies kühn auf eine Empfehlung Anton Hadamitzkis aus Berlin-Kreuzberg. »Ach der!« Mehr sagte Jasper nicht und schickte sich an, mit den Büchern aus dem Kleintransporter zu steigen. Mackenrodt rechnete mit etwa dreitausend M-chen, d.h., für die ganze Bücherladung. Bei fünftausend Exemplaren und bei etwas mehr als fünfzig Pfennigen pro Buch hatte er natürlich richtig gerechnet. Mir persönlich erschien dieser Komplettpreis zu niedrig, hielt mit meiner Meinung aber erst einmal hinter dem Berg. Mir war bewusst, dass ein großer Teil der Literatur aus Makulatur, bzw. »Wühlkisteninventar« bestand. Aus diesem Grund gab mir Mackenrodt Vollmacht zur Konzession. Daran knüpfte er aber die Übernahme der gesamten Ware als Bedingung. Das habe ich Jasper mit größter Vorsicht beigebracht. Trotzdem, unter dessen rechten Arm klemmten bereits fünf alte Kochbücher und drei Leipziger Kalender der Jahre 1910-12. Zwei Bücher waren spurlos verschwunden – Band I und II der Botanik aus dem Jahre 1798, inklusive kolorierter Kupfertafeln als Anhang. Der seriöse Jasper hatte sie in Windeseile unter seine Jacke geschoben. Ich ließ mir zunächst nichts anmerken und fragte nach dem Pauschalpreis der acht Bücher. Wie aus der Pistole geschossen bot Jasper einen Zwanziger. »Nö!«, sagte ich. Unter der Maßgabe, dass Jasper meine Botanik von 1798 unter der Jacke trug, war er mit meinem Veto einverstanden. Er stellte den Bücherstapel umständlich auf einen Stuhl. Dabei machte er einen leichten Knicks, sodass die beiden Bücher nicht etwa oben aus der Jacke glitten. Jetzt kroch er wieder in den Transporter zurück und kramte fünf herrlich speckige Rosamunde-Pilcher-Broschüren heraus. Er bezeichnete sie als Superlativ und antiquarische Errungenschaft, um die wertvollere Literatur im Preis drücken zu können. Jasper litt, wie so viele andere Händler, wohl an einem Betrugssyndrom. Gern hätte ich ihn in den Hintern getreten, doch ich machte das Spiel mit. Etwas an nötigem Schliff hatte mir leider Gottes Hasan Abdullah vermittelt und nicht Mackenrodt, obwohl der mein Brötchengeber war. Ich ließ Jasper also in den Büchern herumwursteln. Jetzt balancierte er wieder

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