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Rache ist lavendelblau

Rache ist lavendelblau

Titel: Rache ist lavendelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Ennser
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Heidrun unter das Blumenglas geschoben hatte, gerade so weit, dass eine Ecke verräterisch hervorblinzelte.
„Lass das! Gib´ deine Finger weg! Was fällt dir ein?“, pfauchte Heidrun, sprang auf und riss ihrer Tochter erzürnt das kleine Kuvert aus der Hand. Romana grinste frech.
„Also doch ein neuer Mann im Bett.“
„Romana, sag, bist du nur gekommen, um mich zu beleidigen? Ich habe doch wohl auch ein Anrecht auf ein Privatleben.“ Heidrun legte das Kuvert auf den Tisch zurück, und Romana hielt sich verlegen grinsend an ihrer teuren Handtasche fest.
„Gucci muss es für meine Tochter sein, klar, was sonst“, dachte Heidrun, behielt die Feststellung jedoch für sich.
Sie spürte die Unsicherheit ihrer Tochter. Romana rückte nervös hin und her, ihre Füße wippten, wie anrollende Wellen, unentwegt auf und ab. Sie saß in Strümpfen da. Heidrun hatte darauf bestanden, dass die Tochter ihre hochhakigen Schuhe im Vorzimmer abstellte, der neue Parkettboden sollte nicht gleich zu Beginn seiner Laufbahn unter den Stichen hoher Absätze leiden.
„Mama, kannst du mir mit Geld aushelfen? Nur leihen, Hannes will sein Geschäft ausbauen, und ich möchte mich beteiligen.“ Jetzt endlich war es heraußen, die Tochter war wieder um Unterstützung vorstellig geworden. Eine lange und sehr heftig geführte Diskussion nahm ihren Lauf, in der Heidrun ihr erklärte, dass sie und ihre Geschwister wohl sehr kräftig vom verstorbenen Vater bedacht worden waren.
„Aber du hast doch die Villa soeben verkauft, Mama.“
Heidrun nahm ein kaum merkliches Zittern in der Stimme der Tochter war. Einige Sekunden verstrichen, und Romana gewann ihre Selbstsicherheit wieder zurück, schüttelte ihr schwarzes Haar - das seit dem letzten Treffen mit einigen rostroten Strähnen durchzogen war - nach hinten und wartete mit leicht vorgestrecktem Kinn auf eine Antwort ihrer Mutter.
„Wie beim Stierkampf, der Torero erwartet sein zukünftiges Opfer, nur da täuscht sich das Früchtchen.“ Heidrun sah einem - sich soeben anbahnendem - Streit gelassen entgegen.
Romanas Maske bröckelte, die elegante Figur, gestützt von einem metallicglänzendem, grauen Hosenanzug, fiel in sich zusammen, als Heidrun ihr freundlich, aber sehr bestimmt erklärte, dass sie ab jetzt warten müsse, bis ihre Mutter unter der Erde sei.
Ein kaltes „tschau“ warf Romana ihrer Mutter nach, als sie deren Wohnung verließ. Das Klappern ihrer Absätze hallte im Stiegenhaus nach, bis es abrupt hinter der Lifttür verstummte.
*

Der Befund
 
     

    Heidrun hatte ihren Abschied vom Schuldienst genommen. Es hatte, wie es so üblich war, eine kleine Feier im Konferenzzimmer gegeben, mit vielen guten Wünschen, großen Blumensträußen, kleinen Geschenken und anschließend für die Kollegenschaft ein gemütliches Beisammensein in einem Restaurant.
„Wir werden uns nicht aus den Augen verlieren“, war ein häufig geäußerter Vorsatz an diesem Abend gewesen, und Heidrun hatte gleich gewusst, es würde so sein wie bei Begräbnissen; die trauernden Hinterbliebenen würden sich - trotz aller guten Vorsätze, die ausschließlich der rührseligen Stimmung zuzuschreiben waren - nicht so bald wiedersehen.
„Bis bald!“, hatten sie sich voneinander verabschiedet. Das „bis bald!“, hallte noch lange in Heidrun nach.
*
Heidrun stieß die Tür auf. Lavendelduft strömte ihr entgegen. Sie liebte diesen zarten, etwas herben Geruch der blauen Blüten, deren Aromen ihrer Wohnung ein südländisches Flair verschafften. „Erinnerung an den letzten Sommer“, sagte sie immer, wenn sie jemand auf ihre alten, toskanischen Tontöpfe, dicht gefüllt mit den steifen, lavendelblauen Rispen, ansprach. Oder an den prächtigen Henkeltopf aus Ecuador - voller Erinnerungen, - der sie tagtäglich stumm anblickte.
Mit einer Hand schleppte Heidrun eine pralle Einkaufstasche, in der anderen umklammerte sie krampfhaft ein großes Briefkuvert eines bekannten Röntgeninstitutes; ein Brief, der leicht in der Hand und schwer am Herzen lag.
„So, da bin ich nun, das wär´s“, sagte sie lapidar, stellte den Einkauf vor sich auf dem schmalen Teppich ab, warf das Kuvert achtlos auf die alte Lacktruhe und näherte sich gelassen dem großen Intarsienspiegel, aus dem ihr eine etwas über Sechzigjährige entgegentrat. Ruhig und beherrscht betrachtete sie sich: Sie strich sich mit den Fingern über das Gesicht, prüfte ihre Haut, die noch immer straff war. „Nicht einmal am Hals zeigen sich Falten“, bemerkte

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