Rache ist lavendelblau
einmal Hausarbeit bei Annette angesagt war.
Annette war fassungslos, als Heidrun bei einer Tasse Kaffee von ihrer Erkrankung berichtete, deren Nachricht so schlagartig wie eine Steinlawine auf sie herabgestürzt war.
„Du darfst nicht aufgeben, du musst etwas unternehmen, heute gibt es schon …“, Heidrun unterbrach sie.
„Annette ich habe mich entschieden, dass ich mich nicht behandeln lasse“, sagte sie ganz ruhig und gelassen, so, als käme nicht ihr Schicksal zur Sprache, sondern das eines völlig Unbekannten aus einer fernen Galaxie. „Ich habe überall Metastasen, und ob ich vier Wochen länger lebe oder nicht, ist mir eigentlich egal.“ Dabei betrachtete sie aufmerksam ihre gepflegten Hände und strich über deren glatte Haut. „Bin ich eben schneller bei Conradin. Komisch, plötzlich denke ich wieder mehr an ihn.“ Den letzten Satz fügte sie ganz leise hinzu, so, als hatte sie ihre Gefühle für den verstorbenen Mann für sich behalten wollen.
„Ja, Conradin“, Annette lächelte, „das war wirklich ein toller Mann, schade …“, sie unterbrach sich, als sie bemerkte, dass ihrer Freundin Tränen in die Augen stiegen. Annette stand auf und schloss Heidrun in ihre Arme.
„Verzeih´ Heidrun, ich wollte dir nicht wehtun.“
„Ja, du hast Recht, er war wirklich ein toller Mann. Kannst du dich erinnern, wie wir zum ersten Mal zusammen Tennis gespielt haben?“ Heidrun lachte und wischte sich mit dem Handrücken eine Träne aus dem Gesicht.
„Ja, und wie sich herausgestellt hat, dass er es eigentlich gar nicht konnte. Aber er hat es bald ganz passabel gelernt.“
Die beiden Freundinnen tauchten unversehens in Erinnerungen ein, nach - vom stürmischen Wind des Lebens - verwehten Tagebuchblättern haschend, die nah und doch so fern vor ihnen tanzten.
„Gib zu, du wolltest ihn dir angeln, damals auf der Bank“, feixte Heidrun und Annette, die zum angesprochenen Zeitpunkt die Immobiliengeschäfte ihrer Bank geleitet hatte, gab, die Lippen spöttisch gekräuselt, näselnd zurück: „Aber nein, ich hatte doch damals noch meinen Friederich.“
„Friederich, der konnte nich´“, lästerte Heidrun und spielte auf einen Liebhaber Annettes an. Fritz, ein fescher, athletischer Sportlehrer durfte so lange für ihren Friederich einspringen, bis Annette eines Tages dessen intensive Zuneigung zu ihrem Ehemann auffiel. Mit einem Schlag war es mit Annettes Interesse an dem Schönling, als auch an ihrem Friederich vorbei, sie ließ sich auf der Stelle scheiden.
„Hast du je wieder was von den beiden gehört?“
„Nein, Friederich ist nach Berlin gegangen und der Athleticfritz turnt jetzt angeblich in Californien. Da hat er einen reichlich gedeckten Tisch. Ich bin nur froh, dass ich keine Kinder bekommen hab´, da hätt´ ich jetzt den Salat.“
„Wem sagst du das“, antwortete Heidrun und blickte versonnen zum Fenster hinaus.
Die beiden Freundinnen kannten sich schon seit den Schultagen, hatten sich aber zeitweilig aus den Augen verloren. Die eine war zum Studium nach Wien gegangen, die andere nach dem Abitur in eine Bank eingetreten und war dort bald im Immobiliengeschäft tätig geworden. Annettes Eltern, die ein kleines Lebensmittelgeschäft im Ort betrieben hatten, und die einzige Tochter in einem sicheren Beruf wissen wollten, waren für die Berufslaufbahn ihres einzigen Kindes ausschlaggebend gewesen. Annette war ein südländischer Typ mit dunklen, glutvollen Augen, schwarzem Haar und passablen Rundungen gewesen; ein junges Mädchen mit vielen Verehrern, das darum von seinen Freundinnen beneidet worden war. Ihrem Vater war es nur Recht gewesen, dass sie in der Nähe des Elternhauses geblieben war, und nicht, wie viele andere aus ihrer Klasse, das Weite gesucht hatte.
Auf der Bank war Annette eines Tages Conradin begegnet, als er nach einem passenden Haus Ausschau gehalten hatte. Er und Heidrun waren seit kurzer Zeit verheiratet gewesen, sie hatten vor, sich in Heidruns Heimatstadt niederzulassen.
„Hätte mich nicht gewundert, wenn mein Mann auf dich abgefahren wär´, schließlich war er Italiener“, sagte Heidrun und wippte dabei mit den Zehenspitzen auf und ab.
„Na, vielleicht gerade deshalb nicht, ich war für ihn nicht exotisch genug, da entsprachst du schon eher seinem Ideal, so blond wie du damals warst.“
Sie scherzten noch eine Weile über ihre Männer, die ihre Leben durchkreuzt hatten, und Annette wunderte sich, wie gelöst und heiter Heidrun eigentlich war. Vielleicht freut sie sich auf
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