Rache ist lavendelblau
einschlugen und ihre Wanderschuhe durch den Schlamm pflügten.
„Du wolltest doch immer einen Jüngeren“, pries Annette den Weißgewandeten an.
„Ach, weißt du, ich bin doch mit meinem Desider ganz zufrieden, Aufregungen brauche ich eigentlich keine mehr“, sagte sie, entledigte sich ihrer schweren Schlammklumpen und trat barfuß in den warmen Sand, den sie genussvoll zwischen den Zehen durchrieseln ließ. Ein wohliges Gefühl durchflutete sie. Eine Ewigkeit war sie nicht mehr im Sand gewatet, hatte dieses sinnliche Kribbeln, das Weiche und Warme an ihren Beinen und zwischen den Zehen nicht mehr genossen. Lange saßen die beiden Frauen am Ufersaum und starrten schweigend den Horizont an. Ab und zu leckten die Wellen ihre nackten Füße, die sie den sanft und dann wieder stürmischer anrollenden Wellen entgegenstreckten.
„Wellen sind wie das Leben, mal sanft, dann wieder heftig und alles ohne Vorwarnung“, sagte Heidrun und Annette nickte wissend.
„Du denkst oft an Conradin, stimmt´s?“
„Ja, aber ich komme mir so blöd dabei vor. Er ist seit zwei Jahren tot, ich schlafe mit Desider und glaube, Conradin steht daneben und schaut mir zu.
„Lustkiller“, entschlüpfte es Annette. „Meine Männer habe ich immer bald vergessen“, fügte sie nach einer Weile an, griff übermütig nach einer Hand voll Sand und warf diesen in Richtung ihrer Freundin. Der Wind stemmte sich ihrem Vorhaben entgegen, und eine Fahne Sandes fiel wie ein Kometenschauer auf Annette zurück.
„Auch ein Lustkiller“, unkte Heidrun und beide kicherten wie ausgelassene Teenager. Hinter ihnen brüllten Affen und bald setzten die Aras, im allabendlichen Streit um ihre Schlafplätze, zu kreischen an. „Weißt du, dass die Arapaare lebenslänglich beisammen bleiben? Stell dir das einmal vor.“
„Nein“, antwortete Annette, „ich will mir das gar nicht vorstellen, muss ja furchtbar sein!“
„Morgen geht´s in die Mangroven!“, verkündete der Reiseleiter nach dem Abendessen in der Lodge. „Pinocchio“, wurde er hinter vorgehaltener Hand von seinen Schützlingen genannt, ein Student der Biologie, der sich ein Zubrot als Reiseleiter verdiente.
„Pinocchios Nase, denkst du, dass man da Rückschlüsse auf einen anderen Körperteil ziehen kann?“
„Annette, du denkst im Moment nur an das Eine, fehlt dir vielleicht was? Wie wär´s mit Ephraim? Ich gebe ihn dir gerne ab.“
Annette zog das kühle Leintuch über ihren Kopf. „Können wir morgen entscheiden, schlaf jetzt gut!“
Die Tropentage rannen abwechslungsreich und recht unterhaltsam dahin, unterbrochen nur von heftigen Regengüssen, die die Gruppe im Gelände immer wieder eng zusammenrücken ließ. Ephraim hatte am vierten oder fünften Tag vor Heidrun die Segel gestrichen.
„Er kuschelt neuerdings mit der prallen Blonden, eine von den drei Alleinreisenden, wir haben´s versaut“, sagte Annette nach dem Buffet, das sie bald verlassen hatten. Die Hotelbar nebenan hatte sie aufgenommen, wo sie den Rest der Truppe vollständig versammelt und gut gelaunt, vorfanden.
„Der Himmel gib ´s, dass er bei der Blonden landen kann, dann haben wir unsere Ruhe“, fügte Heidrun hoffnungsfroh hinzu.
„Du meinst, du hast dann deine Ruhe, weil mich wollte er ja gar nicht“, gluckste Annette, hob ihre, mit Mangosaft und Eiswürfeln gefüllte, Kokosnuss in die Höhe und wandte sich lachend an die Runde: „Zum Wohle!“
Theodor E. Fürnkrantz fühlte sich angesprochen. „Euch auch!“, flötete er vergnügt und schwenkte sein Glas in Richtung der beiden, das selig grinsende Busenwunder an seiner Seite.
Heidrun fühlte sich schlapp. Am Ausflug in den nahen Regenwald nahm sie nicht teil, obwohl „Pinocchio“ versichert hatte, dass es ein ganz gemütlicher Nachmittag werden würde. Dabei schnürte er in ihrem Beisein seine hohen Bergschuhe und verstaute Wollweste und Regenumhang in seinem riesigen Rucksack, dessen Volumen auch einer Expedition in den Himalaja gerecht geworden wäre. Heidrun zog sich auf ihr Zimmer zurück, schloss das Moskitonetz sorgfältig und griff nach ihrem Handy. Es dauerte lange und Heidrun wollte schon auflegen, als sich eine Stimme meldete. Desider war dran.
„Du fehlst mir so“, hauchte sie, Heidrun war überglücklich seine Stimme zu hören.
„Du mir auch, wie geht es dir?“, flüsterte er ungewöhnlich leise.
„Prächtig“, log sie, „es ist wunderschön hier und so interessant.“ Augenblicklich erkannte sie, dass sie Desider wohl zuhause angetroffen
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