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Rache ist lavendelblau

Rache ist lavendelblau

Titel: Rache ist lavendelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Ennser
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allergrößten Selbstverständlichkeit der Welt.“
Der Zug ratterte von der Dämmerung in die Nacht hinein; die karge, flackernde Beleuchtung im Inneren des Waggons ermöglichte den beiden Frauen ein Plaudern ohne Ablenkung. Der Schaffner schlurfte noch einmal durch den Schlafwagenkorridor, er hatte noch einige Ansinnen entgegengenommen, denen anschließend das Herunterklappen der Türverriegelungen folgte. Heidrun und Solveigh saßen auf einer Pritsche, die Toscana kam ihnen langsam näher. Im Gepäck führte Heidrun die Klarinette mit.
„Komisch, irgendwie ist das wie bei einer Überführung, nur dass ich nicht traurig bin.“
Heidrun hatte sich spontan entschlossen der Einladung Chiaras zu folgen. Sie wollte nicht länger zuwarten, sie fürchtete, dass ihr Gesundheitszustand ein Aufschieben der Reise nicht mehr lange zulassen würde.
„Solveigh soll mich begleiten, Solveigh ist mir eine Stütze, die weiß von meiner Erkrankung“, hatte Heidrun nach gründlichen Überlegungen und einigen Bedenken entschieden und Solveigh tatsächlich eingewilligt.
„Wenn das Ende näher kommt, rückt der Horizont in weite Ferne, alles ist inzwischen so blass, so diesig, nur der Himmel über mir ist so klar, wie die Herbstluft im Gebirge“, sagte Heidrun und streichelte sanft die Hand der Freundin. „Komisch, ich freue mich richtig auf Italien, wahrscheinlich weil Conradin dort acht Jahre lang gelebt hat.“
„Du hast ihn wohl immer geliebt.“
„Immer nicht, damals hätte ich ihn am liebsten umgebracht.“ Damals, das war jene Zeit, in der Conradin sie und die Kinder Hals über Kopf verlassen hatte.
Die Fahrt im Taxi durch die Hügellandschaft der Crete Senesi, über die sich die Felder wie ausgebreitete Handtücher legten, vorbei an alten Bauernhöfen und kleinen Dörfern, aufgefädelt auf Alleen von Zypressen, ging schnell voran. Die Straßen in dieser dörflichen Region waren wie leergefegt, die Ernte schon eingebracht. Chiara hatte darauf bestanden, den beiden Frauen ein Taxi zum fernen Bahnhof zu schicken, damit sie gemütlich die Weiterreise antreten konnten.
„Wie auf einer Postkarte“, flüsterte Solveigh Heidrun zu, als sie in die schmale Gasse hinter der Kirche einbogen und sich dem kleinen Anwesen der Familie di Paritani näherten. Die Weinstöcke hatten ihr Blattgrün aufgegeben, sie standen kahl am Hang; nur rote Geranien wetteiferten mit wilden Gladiolen, die sich an einem Holzzaun abstützten.
„Es schaut noch so wie damals aus, nur ist jetzt Herbst“, dachte Heidrun, sich sogleich daran erinnernd, dass auch sie in ihren Herbst eingetreten war.
„Ich freue mich, dass Sie gekommen sind“, sagte Chiara, die den Frauen am Kiesweg entgegengekommen war. Chiara hatte ihre Locken im Nacken zusammengebunden; ihr olivbrauner Teint stand im eleganten Kontrast zu den feinen, grauen Strähnen in ihrem Haar. „Wie war die Reise?“
Die Frauen hatten sich im Wohnzimmer niedergelassen. Heidrun schien es, als sei hier die Zeit stehengeblieben. Der alte Teppich, der mit vielen Schriftstücken überhäufte Schreibtisch und die dunkle Stilkommode fanden sich noch am gleichen Platz, sogar das ovale Silbertablett hatte seine Position am breiten Fenstersims noch nicht aufgegeben.
Chiara war mit Wein, Schinken und Brot soeben eingetreten, als sie Heidrun gedankenverloren, sich zaghaft umblickend, vorfand. Sie schien deren Gedanken erraten zu haben.
„Es hat sich nichts verändert, ich hatte keine Zeit, die Arbeit, die Kinder und dann noch mein Vater, der kommt auch allemal und will von mir betreut werden“, meinte sie fast entschuldigend, während sie den dunklen Hauswein einschenkte, den Heidrun seinerzeit von Conradin gereicht bekam.
Ob er ihr fehlt? Trauert sie um ihn? Hat sie einen Neuen? Wo sind die Kinder? Schauen sie ihrem Vater noch immer ähnlich? Mehr als etwa Claus seinem Vater ähnelt? Ich bin verrückt hierherzukommen, ah, die Klarinette .
„Elisabetta und Conrad  kommen morgen vom Internat, sie sind in Florenz und mein Vater kommt auch. Wenn es Ihnen Recht ist, so würde ich gerne ein Abendessen bereiten und Sie dazu herzlich einladen.“ Heidrun war überrascht, mit so viel Freundlichkeit und Aufmerksamkeit hatte sie nicht gerechnet.
Den nächsten Tag verbrachten Heidrun und Solveigh mit Spaziergängen in der hügeligen Umgebung. Sie logierten in einer kleinen, aber sehr eleganten und stilvollen Pension in einer der engen Gässchen der mittelalterlichen Stadt, die einen Teil ihrer herben Schönheit hinter

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