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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Ostseebuchten.
    William Wordsworth: Präludium

1
    Johnny Nutbrown war wahrhaft ein Mann des Augenblicks, dem Angst vor Zukünftigem und Reue über Vergangenes gleichermaßen fremd waren. Für ihn war jeder Tag eine Schachtel, die er abends, wenn er sich schlafen legte, schloss. Im Laufe der Nacht wurde sie dann weggebracht, mit dem Etikett »unerwünschtes Reisegepäck« versehen und in irgendeinem dunklen Laderaum verstaut. Auf diese Weise erwachte er morgens nie ohne das Gefühl, sich auf den neuen Tag zu freuen, und sollte es doch einmal vorkommen, dass sich mit der Rückkehr des Bewusstseins auch das Wissen um eine Bedrohung einstellte, die ernst genug war, um sogar seine Gelassenheit zu erschüttern, überstand diese Beunruhigung nur selten ein herzhaftes Frühstück.
    Nur eine Sorge verblieb mitunter bis zum Lunch bei ihm, und das war der geplante Verkauf von Poynters und der Umzug nach Kalifornien. Toby Estovers Besuch hatte ihn stärker verunsichert, als er zugeben wollte, aber als sich der übertrieben lange Weihnachtsurlaub dem Jahresende näherte, fiel er langsam in seine alte Unbekümmertheit zurück.
    Jedes Jahr gaben die Nutbrowns eine allseits beliebte Silvesterparty, und wie üblich war Johnny der perfekte Gastgeber. Drinks, Essen, Musik, alles vom Feinsten, und das H und Koks, das er zum Genuss seiner vertrautesten Gäste bereitstellte, war so rein, dass viele ihn löcherten, um ihm seine Bezugsquelle zu entlocken. Doch die Unbestimmtheit, die Johnny im Verlauf seines Lebens so gute Dienste geleistet hatte, ließ ihn auch in dieser Situation nicht im Stich. Wie er wusste, bestand eine Verbindung von seinem Lieferanten zu Toby Estovers Mandanten Pavel Nikitin, und das war ein Mann, mit dem er es sich nun wirklich nicht verscherzen wollte.
    »Och, bloß ein Bursche, den ich in irgendeinem Klub kennengelernt hab«, sagte er. »Harold hieß er, glaub ich. Oder George. Meine Güte, es ist gleich so weit! Alle Mann ab in die große Halle!«
    Und wenige Minuten später stand er auf einem Stuhl und zählte lautstark die Sekunden bis Mitternacht, als sehnte er sich von ganzem Herzen danach, das alte Jahr zu verabschieden und das neue zu begrüßen, obwohl er im Grunde genommen nie viel Sinn darin gesehen hatte, zwischen dem letzten Tag im Dezember und dem ersten im Januar großartig einen Unterschied zu machen.
    Als eine Nachbarin seufzte: »So eine tolle Party, Johnny. Kaum zu glauben, dass es die letzte ist«, sah er die Frau daher nur verständnislos an, bis sie hinzufügte: »’tschuldigung, ich dachte, Pippa hätte gesagt, dass ihr einen Käufer gefunden habt oder zumindest einen Interessenten, der ein Gutachten bezahlen will.«
    »Ach so, das«, sagte er ohne große Begeisterung. »Ja, Pippa meint, irgendein Schotte wäre vielleicht bereit, unseren Preis zu akzeptieren.«
    »Wie wunderbar«, sagte die Frau, die zu beschwipst war, um zu bemerken, dass sie damit ihrem soeben geäußerten Bedauern angesichts der Möglichkeit, ihre Nachbarn zu verlieren, widersprach.
    In Wahrheit war sie trotz ihrer gemischten Gefühle nicht unaufrichtig. Allgemein ging man in der Nachbarschaft davon aus, dass die Nutbrowns ihre Preisvorstellungen um ein paar Hunderttausend würden runterschrauben müssen, um das Haus in dieser Jahreszeit zu verkaufen. Falls sie durch irgendein Wunder doch den verlangten Preis erzielten, so würde die daraus resultierende Wertsteigerung sämtlicher Immobilien der Gegend sie mehr als genug für die entgangene Schadenfreude entschädigen.
    In den frühen Morgenstunden, nachdem sie die letzten Gäste mit herzlichen Worten und Versprechen ewiger Freundschaft zum Abschied gedrängt hatten, betrachteten die Nutbrowns die traurigen Überreste der Party.
    »Tut mir alles andere als leid, dass ich keinen von dieser grässlichen Bande wiedersehen werde«, sagte Pippa.
    Pippas Fähigkeit, permanent enttäuscht zu sein, hatte zur Folge, dass jedes gesellige Beisammensein, auch wenn es in ihrem eigenen Haus stattfand, bei ihr eine tiefe Antipathie gegenüber den Gästen auslöste.
    »Gehen wir schlafen«, sagte ihr Mann, ohne auf die indirekte Anspielung auf ihre mögliche Emigration einzugehen. »Hoffentlich machen Mrs P und ihre Truppe nicht zu viel Krach.«
    Gemeint war ihre Putzfrau Mrs Parkin, die am Neujahrstag traditionell mit Verstärkung anrückte, um die Ordnung wieder herzustellen.
    »Ich kann nicht lange ausschlafen«, sagte Pippa. »Muss aufpassen, dass Parkin nicht schludert. Das Haus

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