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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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genau in dem Moment ankam, als Murray/McLucky den Bürgersteig entlang auf das Haus zuging.
    Sie sagte: »Falls Sie mir unmissverständlich sagen, dass ein Verbrechen begangen werden soll, dann muss ich das melden. Ansonsten garantiere ich Ihnen maximale Verschwiegenheit.«
    Doll verzog das Gesicht und sagte: »Das muss wohl genügen. Also gut, Liebes, sitzen Sie bequem? Dann fang ich am besten ganz von vorne an. Damit, wie Ed und ich Wolf kennengelernt haben. Da war er erst sechzehn, und ich, Gott steh mir bei, ich war gerade dreißig geworden!«
    Als Doll zwanzig Minuten später verstummte, sagte Alva: »Ich möchte nur sichergehen, dass mir nichts entgangen ist. Sie sagen, Ed hat Wolf in seiner Eigenschaft als Pflichtverteidiger kennengelernt, vermutete, dass der Junge minderjährig war, hielt ihn für schuldig im Sinne der Anklage, wusste, dass er aus dem Untersuchungsgefängnis geflohen und in sein Büro eingebrochen war … Und trotz allem hat Ed nicht das Jugendamt eingeschaltet, sondern dafür gesorgt, dass die Klage fallen gelassen wurde, und hat die Flucht und den Einbruch vertuscht. Dann haben Sie ihn bei sich zu Hause aufgenommen und ihm Arbeit besorgt. Hab ich das so richtig verstanden?«
    »Hundertprozentig, Schätzchen«, sagte Doll. »Obwohl, ich muss zugeben, es klingt ein bisschen seltsam, wenn Sie es so auf den Punkt bringen.«
    »Seltsam!«, sagte Alva. »Es klingt … Ich weiß gar nicht, wie es klingt, aber ich hab schon Patienten gehabt, deren Wahnvorstellungen mir realistischer vorgekommen sind als das.«
    »Nun ja, aber eines ist Ihnen doch entgangen, Liebes. Obwohl schon allein die Tatsache, dass Sie hier sind, in mir den Verdacht weckt, dass es Ihnen vielleicht doch nicht entgangen ist. Sie wollen es bloß nicht zugeben. Die Sache ist die, Wolf war … ist … sehr anziehend, und zwar nicht bloß im üblichen Mann-Frau-Sinn, obwohl das auch. Aber die meisten Menschen mögen ihn einfach! Sogar die Polizisten haben sich damals ein wenig um ihn bemüht. Und Ed hat richtig von ihm geschwärmt, als er von dem ersten Treffen auf dem Revier zurückkam. Ich weiß noch, dass ich gesagt habe: ›Ich hoffe, du wechselst nicht die Seiten, Ed!‹ Er hat bloß gelacht und entgegnet: ›Wenn du den Jungen kennenlernen würdest, wüsstest du, was ich meine.‹ Ich hab natürlich nicht geglaubt, dass ich ihn je kennenlerne. Aber dann hab ich ihn kennengelernt. Und ich hab’s verstanden. Ergibt das für Sie irgendeinen Sinn, Liebes?«
    Und ob. Alva dachte daran, was sie über Wolfs Kindheit wusste. Ein Einzelgänger, ja. Aber weil er es so wollte, nicht weil andere ihn ausschlossen.
    Genau genommen (wieso war ihr das nicht schon früher aufgefallen?) hatte er gerade aufgrund der Tatsache, dass er so anziehend war, frohgemut seinen eigenen Weg gehen können. Es war so offensichtlich: Die Lehrer in der Schule, die so ungeheuer nachsichtig mit ihm waren; die Mädchen, die mit ihm gehen wollten; Sir Leon, der ihm das Haar zerzauste und in Wolfssprache mit ihm redete; die Männer von der Bergwacht, die ihn unter ihre Fittiche nahmen; Johnny Nutbrown, der nicht tödlich beleidigt war, als dieser ungehobelte Bauerntölpel ihm eine blutige Nase verpasste; Imogen, die sich oben auf dem Berg auszog und ihn aufforderte, sie zu vögeln; und selbst nachdem er in Ungnade gefallen war, sah ein hartgesottener Bulle wie Davy McLucky in diesem kaputten Pädophilen etwas, das ihm sympathisch war und sein Mitgefühl weckte. Und Luke Hollins empfand offensichtlich mehr als nur ein rein seelsorgerisches Interesse für sein neues Gemeindemitglied.
    Und dann war da noch sie selbst …
    Als hätte Doll ihre Gedanken gelesen, sagte sie: »Ja, und auch wenn er ein Auge, ein paar Finger und sein gutes Aussehen verloren hat, das ist immer noch da, nicht wahr? Sie müssen sich nicht schämen, es zuzugeben, Liebes. Es ist unmöglich, ihn nicht zu mögen, hab ich recht? Nun stellen Sie sich mal vor, wie er damals war, ein junger Bursche, allein auf den gefährlichen Straßen vom verruchten alten London. Selbst wenn ich ihn nicht gemocht hätte, wäre es schwer gewesen, ihn dorthin zurückzuschicken. Aber er konnte nicht ewig bei uns wohnen. Damals hatten wir dieses Haus hier noch nicht gekauft. Eine enge kleine Wohnung in einem Hochhaus in Whitechapel. Jede Menge Versuchungen für die gelangweilte Jugend. Er brauchte einen richtigen Job.«
    »Und was für einen haben Sie ihm verschafft, Doll?«, fragte Alva, froh darüber, von ihren

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