Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
und nahm einen kräftigen Schluck. Und zwar nicht, weil ihm kalt war.
»Und dann?«, fragte er leise.
»Dann warst du auf einmal im Krankenhaus, an irgendwelche Geräte angeschlossen, und die Ärzte haben keinen Pfifferling mehr für dich gegeben. Kurz danach gingen die ersten Banken pleite, die Kurse sackten in den Keller und die vom Betrugsdezernat haben sich wie die Schmeißfliegen auf Woodcutter gestürzt.«
»Und was haben sie gefunden?«
Zum ersten Mal sah Nutbrown ein bisschen beklommen aus.
»Sie haben Fehlbeträge gefunden, Wolf. Ich meine, das ließ sich nicht vermeiden. Es wäre alles bestens gewesen, wenn die guten Zeiten angedauert hätten. Dann wäre auch jetzt alles bestens, wo alles wieder so ist wie vorher, mehr oder weniger. Aber damals gab es keine Möglichkeit, irgendwas zu verbergen.«
»Aber du hast es irgendwie geschafft, Johnny. Hast dich so gut versteckt, dass nicht mal jemand nach dir gesucht hat. Wie hast du das angestellt?«
»Ich hab bloß Glück gehabt, schätze ich.«
Er hörte sich an, als würde er das ehrlich glauben, dachte Hadda. Vielleicht tat er das sogar. Und vielleicht hatte er auf seine Art tatsächlich Glück gehabt. Nämlich das Glück, in einer nach außen abgeschlossenen Blase zu existieren, in der sein eigenes Wohlergehen, sein eigener Komfort und sein eigenes Überleben die Realität ausmachten. Er empfand keinerlei Schuldgefühle wegen der Ereignisse, nur ein wenig Bedauern. Während die Nachricht von Wolfs vorzeitiger Entlassung die anderen offensichtlich stark beunruhigt hatte, war Johnnys einzige Reaktion gelinde Erleichterung, weil sein alter Freund wieder frei war, also bestand kein Grund mehr zur Sorge!
»Aber du und Toby, ihr müsst doch eure Geschichten haarklein abgesprochen haben«, sagte er.
Nutbrown nickte entschieden. »Allerdings. Toby war großartig. Die haben ihm alles aus der Hand gefressen. Ich weiß ehrlich nicht, was ich ohne ihn an meiner Seite gemacht hätte.«
»Wirklich schade, dass ich ihn nicht auch an meiner Seite hatte«, sagte Hadda. »Als sie mir diesen ganzen Dreck angehängt haben, meine ich.«
»Was? Ehrlich, Wolf, ich kann mir vorstellen, wie das für dich aussieht. Aber sei fair, zu dem Zeitpunkt warst du so gut wie tot, da hätte es doch keinen Sinn mehr gehabt, deinen guten Namen zu schützen, und außerdem wäre das sowieso unmöglich gewesen, ohne dass Toby für eine halbe Ewigkeit in den Knast gewandert wäre. Und Pippa vielleicht auch. Das hättest du Pippa doch nicht zumuten wollen, oder? Frauen werden heutzutage auch nicht mehr mit Glacéhandschuhen angefasst!«
Dieser Versuch, an seine Ritterlichkeit zu appellieren, entlockte Hadda beinahe ein Lächeln. Außerdem hatte Nutbrown kein Wort darüber fallen lassen, dass er selbst mit Sicherheit auch ins Gefängnis gemusst hätte. Ob er sich wirklich für unverwundbar hielt?
Er sagte: »Davon hast du gar nichts erzählt, als du mich im Krankenhaus besucht hast, Johnny. Da konntest du doch sehen, dass ich durchkommen würde. Du hättest also die Möglichkeit gehabt, meinen guten Namen zu schützen, um den du dir solche Gedanken gemacht hast.«
»Stimmt nicht«, sagte Nutbrown eifrig. »Nicht, wo du auch noch diese andere Sache am Hals hattest und alle Zeitungen meinten, sie hätten dich zu Recht deswegen drangekriegt. Außerdem war da schon längst alles gelaufen. Aussagen auf Band, schriftlich und sogar auf Video. Und sie hatten die Bücher genau unter die Lupe genommen, die ganze Chose war abgeschlossen. Zu spät, um die Uhr noch zurückzudrehen, Wolf. Wie Toby sagte, du warst erledigt. Aber ich hab dich immerhin besucht, oder etwa nicht? Pippa hat mich ganz schön fertiggemacht, als sie dahinterkam. Toby war auch nicht begeistert. Aber ich hab ihnen gesagt, ich hätte dir nun mal viel zu verdanken und ich hätte nicht mehr in den Spiegel schauen können, wenn ich dich nicht besucht hätte.«
Gerade wenn man dachte, man wäre an die Grenzen von Nutbrowns moralischem Vakuum gestoßen, stellte man fest, dass man immer noch frei im Raum schwebte!
Hadda sagte: »Denk nicht, ich wäre undankbar, Johnny. Aber jetzt sag mal, siehst du Imo gelegentlich? Wie geht’s ihr?«
»Och, gut, gut«, sagte Johnny, und die Erleichterung über den Themenwechsel stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Aber ehrlich gesagt, seh ich sie nicht oft. Pippa und sie gehen manchmal zusammen zum Lunch. Und sie lässt immer schöne Grüße bestellen.«
»Dir, meinst du?«
»Ja, klar … ich
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