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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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wäre DI O’Reilly in der Lage gewesen, sich durchzusetzen. Doch ihr Augenmerk galt ausschließlich dem Zustand der Fußbekleidung der Eindringlinge.
    Eine halbe Minute später hatte sie sie alle wieder vor die Tür verbannt, wo sie vor der Fußmatte Schlange standen, um sich die Schuhe abzuputzen, ehe sie wieder hereinkamen.
    Erst dann nahm sie dem DI den Durchsuchungsbefehl aus der Hand und studierte ihn gründlich.
    Als sie ihn gelesen hatte, sagte sie zu ihrem Mann: »Du solltest Toby anrufen.«
    Er sagte verwirrt: »Findest du nicht, dazu ist es ein bisschen früh am Morgen, altes Mädchen? Wahrscheinlich schläft er noch. Außerdem, ich glaub nicht, dass Toby hier viel machen kann.«
    Sie stieß ein wütendes und fassungsloses Schnauben aus.
    »Verdammt noch mal, Johnny! Begreifst du denn überhaupt nichts?«, sagte sie und ging selbst zum Telefon.
    Aber dieses eine Mal irrte sie sich. Hier äußerte sich nicht bloß Johnnys übliche Realitätsfremdheit.
    Er hätte ihr nicht genau erklären können, wieso er es begriff, aber eines begriff er: Heute ging etwas zu Ende, und etwas Neues begann, etwas, das nicht mal der gerissenste Anwalt hätte aus der Welt schaffen können, etwas, wonach nichts mehr so sein würde, wie es mal war.

2
    Toby Estover bestieg das Schafott ohne zu zögern, nicht weil er tapfer war, sondern weil seine Beine sich von selber bewegten, obwohl sein Verstand laut schrie: Renn! Renn um dein Leben!
    Mit dem Rücken zu ihm stand der Henker wartend neben dem Richtblock. Seine rechte Hand, die nur zwei Finger hatte, ruhte locker auf dem Griff einer langstieligen Axt, und er blickte ruhig in die Ferne über ein weites Panorama aus Bergen und Seen und Urwäldern, das ihm irgendwie bekannt vorkam.
    Bei aller Panik empfand Estover einen Anflug von Entrüstung. Seine bevorstehende Hinrichtung war doch wohl wichtiger, als diese Scheißaussicht zu bewundern! Aber er bekam kein Wort heraus, sein Mund war vollauf damit beschäftigt, so viel Luft in die Lunge zu saugen, wie ihm in den nächsten vierzig Jahren zugestanden hätte, so viel Luft, wie sie jedem zugeständen hätte, die ganze verdammte Luft der Erdatmosphäre, scheiß auf die anderen, scheiß auf die Klimaerwärmung, scheiß auf einfach alles!
    Als seine Beine den Richtblock erreichten, blieben sie stehen und knickten ein, und er sank auf die Knie. Dann gab seine Rückenmuskulatur nach, er fiel nach vorne, kraftlos, bis sein Adamsapfel gegen den tiefsten Punkt der flachen, dunkel befleckten u-förmigen Höhlung im Block gedrückt wurde.
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Füße des Henkers sich umwandten, er sah die glänzende Schneide nach oben aus seinem Gesichtsfeld verschwinden, er sah die Berge und die Seen und den Wald.
    Dann hörte er ein Wusch! , als die Schneide herabsauste.
    Und als er starb, wachte er auf und stellte überrascht fest, dass die Bettdecke und das Kissen von seinem Schweiß durchtränkt waren, nicht von seinem Blut.
    Außerdem fiel ihm noch zweierlei auf.
    Er war allein, und das Telefon klingelte.
    Er war nicht überrascht darüber, dass er allein war. Nach zwei Wochen gewöhnte er sich allmählich daran.
    Er war eines Abends ins Schlafzimmer gekommen und hatte festgestellt, dass Imogen mit ihren sämtlichen Sachen in ein anderes Zimmer umgezogen war, in das Zimmer, das einmal ihrer Tochter gehört hatte.
    Der Umzug war am selben Tag erfolgt, an dem er ihr von seiner neuen Sekretärin erzählt hatte, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass das eine mit dem anderen zusammenhing. Sieben Jahre lang hatte sie doch gern das Schlafzimmer mit ihm geteilt, und das trotz der Tatsache, dass ihre sexuellen Begegnungen immer seltener geworden waren. Grund dafür war eine Kombination aus ihrer wachsenden Gleichgültigkeit und seinen gesundheitlichen Problemen gewesen, die zur Folge hatten, dass die regelmäßigen Vergnügungen auf seinem Büroschreibtisch mehr als genügten, um seine sinnlichen Bedürfnisse zu befriedigen.
    Der Umzug war unangekündigt gekommen, ohne Diskussion, ohne Streit. Vielleicht, so seine Vermutung, war während ihres Aufenthalts in Cumbria irgendetwas passiert. Was das gewesen sein könnte, war ihm ein Rätsel, und er wusste, dass Fragen sinnlos gewesen wären. So war Imogen nun mal. Ihre Entscheidungen erfolgten ohne Drama, nur mit einer ruhigen Unvermeidlichkeit. Eines Morgens war er in ihr neues Schlafzimmer geplatzt, und sie saß auf dem Bett, eine Stoffpuppe in der Hand, die Ginny besonders

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