Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
eine solche Tat auf sein seelisches Gleichgewicht auswirken würde, das können Sie besser beurteilen als ich. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen, Alva. Ich möchte, dass Wolf frei bleibt, körperlich und geistig. Ich denke, Sie möchten dasselbe. Was ich tun kann, habe ich getan. Aber ich habe das Gefühl, dass es vielleicht nicht ausreicht. Er braucht andere Gründe, sich zurückzuhalten, als ich sie liefern kann. Falls Sie der Meinung sind, ihm diese Gründe geben zu können, dann bitte ich Sie, es zu versuchen, ehe es zu spät ist.«
»Um Gottes willen«, stieß Alva hervor. »Kann Imogen denn nicht in Schutzhaft genommen werden?«
»Um vor was geschützt zu werden?«, fragte Childs zurück. »Falls die Behörden einen Hinweis bekommen, dass Wolf irgendeine Gefahr darstellt, ist er derjenige, der sofort wieder in Haft genommen wird. Wobei ich nicht unbedingt darauf setzen würde, dass sie ihn finden werden, falls er beschließt, in dieser Wildnis, die er so liebt, unterzutauchen.«
»Sie könnten ihn doch wenigstens beobachten lassen, damit genug Zeit ist, sie zu warnen, falls er Anstalten macht, sein Haus zu verlassen …«
»Ich glaube nicht, dass er das vorhat. Ein guter Jäger weiß, wie seine Beute reagieren wird. Er legt sich auf die Lauer und wartet.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Alva. »Was denken Sie, was passieren wird?«
In einer Innentasche von Childs’ tadellosem Sakko summte ein Handy.
Mit einer gemurmelten Entschuldigung fischte er es heraus, blickte angewidert darauf, hielt es sich nah, aber nicht direkt ans Ohr und sagte: »Ja?«
Er lauschte, sagte: »Ich bin unterwegs«, steckte das Handy wieder in die Tasche und stand auf.
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich muss gehen. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ich denke, Mrs Estover wird in nächster Zukunft feststellen, dass ihr Haus von den Medien belagert wird. Das letzte Mal, als das geschah, konnte sie sich in das Haus der Nutbrowns flüchten, nach Poynters, im waldreichen Essex. Diese Möglichkeit besteht nicht mehr, daher vermute ich, sie wird sich letztendlich nach Norden begeben, um Trost im Schoß ihrer Familie in Ulphingstone Castle zu suchen, einerseits, weil es ein guter Ort ist, um sich zu verstecken, aber auch, weil ich ahne, dass sie genau dort sein möchte. Und nach allem, was ich von der Lady weiß, gehe ich davon aus, dass Wolf gar nicht versuchen muss, an sie ranzukommen. Sie wird zu ihm kommen.
4
Die Nutbrowns waren in zwei verschiedenen Fahrzeugen mit Blaulicht und Sirene, um hoffentlich die Medienkarawane abzuhängen, zum Polizeipräsidium Cambridge gebracht worden. Natürlich hatte das lediglich zur Folge, dass sich im Verkehr ein Korridor öffnete, durch den der bunte Haufen Reporter und Kameraleute problemlos hinterherrasen konnte.
Auch im Präsidium blieben sie weiterhin getrennt voneinander, während ihre Personalien aufgenommen und ihnen die Fingerabdrücke abgenommen wurden.
Beide weigerten sich, vor dem Eintreffen ihres Anwalts eine Aussage zu machen.
Als Estover nach zwei Stunden noch immer nicht da war, rief DI O’Reilly in der Londoner Kanzlei des Anwalts an, um nach dem Grund für die Verspätung zu fragen. Er erfuhr, dass die Mitarbeiter dort ebenso ratlos wie besorgt waren. Toby Estovers Wagen stand auf seinem reservierten Parkplatz, doch von dem Mann selbst fehlte jede Spur.
Wie seine Gattin, die daraufhin kontaktiert wurde, bestätigte, war ihr Ehemann früh am Morgen ins Büro gefahren, um dort noch rasch etwas Dringendes zu erledigen, ehe er sich auf den Weg nach Cambridge machen wollte, um die Nutbrowns zu vertreten.
Daraufhin setzte DI O’Reilly die Nutbrowns einzeln davon in Kenntnis, dass Mr Estover anscheinend nicht kommen würde, und forderte sie auf, einen zweiten Wunschanwalt zu nennen. Falls sie davon absehen wollten, könnten sie selbstverständlich die Dienste eines Pflichtverteidigers in Anspruch nehmen.
Als Pippa Nutbrown das hörte, brachte sie ihre Meinung über den abwesenden Anwalt mit derart markigen Tönen zum Ausdruck, dass der DI trocken bemerkte, falls auch nur die Hälfte davon auf den Mann zuträfe, wäre sie wahrscheinlich ohne ihn besser dran. Johnny Nutbrown fragte, wie sich seine Gattin entschieden hätte. Am Ende wählte er einen Pflichtverteidiger, während Pippa sagte, um möglichst schnell wieder aus diesem Drecksloch rauszukommen, würde sie O’Reilly gerade genug Fragen beantworten, um ihm zu zeigen, was für ein Volltrottel er doch sei.
Letztendlich
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