Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
trank Orangensaft.
Er sagte: »Ich kann den Zug noch immer erwischen, wenn ich mich beeile, also sagen Sie, weshalb ich bleiben sollte.«
»Also schön. Irgendwas an meinem Fall hat Sie gestört, nicht wahr?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Damals im Krankenhaus haben Sie zu Anfang einfach nur gewissenhaft Ihre Arbeit getan, aber später war Mitgefühl dabei. Nichts Dramatisches, aber zu dem Zeitpunkt, als ich schließlich ins Untersuchungsgefängnis verlegt wurde, haben Sie mich wie ein menschliches Wesen behandelt.«
»Wenn man sich lange genug um eine räudige Ratte kümmert, gewinnt man sie irgendwann lieb«, sagte McLucky.
»Mag sein. Aber da ist noch etwas.«
»Was denn?«
»Sie sind hier. Wie viele Expolizisten kennen Sie, die hundert Meilen Zugfahrt auf sich nehmen würden, nur um ein Glas mit einem kürzlich entlassenen Betrüger und Kinderschänder zu trinken?«
»Wollen Sie behaupten, ich hätte mich in Sie verliebt, Sir Wilfred?«, fragte der Schotte spöttisch.
»Mr Hadda, bitte. Wissen Sie nicht mehr, kaum war ich verurteilt, hat man überlegt, ob man mir nicht noch etwas wegnehmen könnte außer meiner Familie, meinem Vermögen, meinen Freunden und meiner Zukunft, und irgendwer hat gesagt, der hat doch noch immer seinen Titel, den hätte Ihre Majestät doch sicher gern wieder. Also haben sie ihn mir weggenommen. Nein, wenn Sie nicht noch perversere Neigungen haben als ich angeblich, hegen Sie keine besonderen Gefühle für mich. Ich dagegen hege besondere Gefühle für Sie.«
»Ach ja? Stört es Sie, wenn ich mir das Sandwich mit Räucherlachs nehme? Der kommt wahrscheinlich aus dem schottischen Hochland, ich krieg allmählich Heimweh.«
»Bitte bedienen Sie sich. Ja, meine besonderen Gefühle beruhen darauf, dass Sie Mitglied eines sehr exklusiven Klubs sind. Wissen Sie, Mr McLucky, ich denke, dass Sie, trotz der Tatsache, dass Sie mich nur einige wenige Wochen kannten, und im Unterschied zu meinen Freunden und Mitarbeitern, die mich schon ewig kannten, oder meiner Psychiaterin, die mich wahrscheinlich gründlicher und besser kennengelernt hat als jeder andere, oder auch im Unterschied zur britischen Öffentlichkeit, die mich überhaupt nie gekannt hat –, wie gesagt, trotz dessen und im Unterschied zu den anderen ist es Ihnen schwergefallen, absolut hundertprozentig sicher zu sein, dass ich schuldig im Sinne der Anklage war. Ja, das macht Sie zum Mitglied eines höchst exklusiven Klubs.«
McLucky schluckte den Lachs herunter, auf dem er herumgekaut hatte, spülte mit Whisky nach und sagte: »Sagen Sie mir, was Sie von mir wollen, Mr Hadda, oder ich verschwinde von hier, sobald ich das Sandwich aufgegessen habe.«
»Dem Himmel sei Dank, dass die Schotten Verschwendung hassen, was? Also gut, ich hab versucht, über die Londoner Polizei Kontakt zu Ihnen aufzunehmen, weil ich hoffte, Sie überreden zu können, mir ein paar Fragen zu DI Medler zu beantworten. Dann erfuhr ich, dass Sie sich in den Privatsektor zurückgezogen hatten, und mir kam der Gedanke, dass wir unserem Verhältnis eine echte geschäftliche Basis verleihen könnten.«
»Sie wollen mich beauftragen, meinen Sie? Womit genau?«, fragte McLucky und schob sich das letzte Stück Lachssandwich in den Mund.
Hadda sagte: »Für den Anfang hätte ich gern einige schlichte Informationen über die Leute auf dieser Liste: Ich will wissen, wo sie sind, was sie machen.«
Er reichte ein gefaltetes Blatt Papier über den Tisch.
Der Schotte blickte kurz darauf und stieß einen leisen Pfiff aus.
»Worauf sind Sie aus, Mr Hadda?«, fragte er.
»Das sagte ich doch schon. Informationen. Für den Anfang.«
»Okay? Und danach?«
»Vielleicht ein bisschen praktische Hilfe. Immer im Rahmen der Legalität, unter Berücksichtigung der für Ihren Berufsstand notwendigen Täuschungsmanöver.«
McLucky musterte ihn streng und sagte dann: »Apropos Legalität, nach dem, was ich zuletzt gehört habe, sind Sie pleite. Bei so einem Auftrag können zig Stunden zusammenkommen, mal ganz abgesehen von den Spesen. Sie müssten schon verdammt viele Bäume fällen, um meine Rechnungen bezahlen zu können.«
Statt einer Antwort griff Hadda in seine Feldjacke. Dies-mal zog er kein Portemonnaie heraus, sondern einen dicken DIN-A5-Umschlag.
»Hier drin sind eintausend Pfund«, sagte er und legte ihn auf den Tisch. »Plus meine Handynummer. Führen Sie Buch über alles, und wenn die Tausend zu Ende gehen, rufen Sie mich an.«
»Und was machen Sie dann?«,
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