Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
das anspruchsvolle Kabarett, von dem er gesprochen hatte? Kein Wunder, dass er bemüht gewesen war, dem Laden mehr Klasse zu verschaffen.
Eine Bewegung in einer Ecke fiel ihr auf. Sie sah ein Mädchen in einem locker sitzenden goldenen Paillettenkleid mit einem Tablett mit Drinks, das sich mit einem älteren Kunden unterhielt. Seine klauenartige Hand packte ihren glatten Schenkel, als sie sich zu ihm hinabbeugte, um den Champagner auf den Tisch zu stellen und ihm freien Blick auf ihre Brüste zu gewähren. Er starrte in ihren Ausschnitt und unterzeichnete die Rechnung, und sie strich ihm mit dem Finger über seinen kahlen Schädel. Und plötzlich wusste Maggie, was das hier war: ein Nepplokal. Diese Flasche würde den Kerl wahrscheinlich gute hundert Mäuse kosten, und wen interessierte es, ob er letztlich Sex mit dem Mädchen haben würde oder nicht? Das gehörte dazu. Am Tisch neben ihm hatte sich ein anderer Mann – sein Gesicht und sein Haar glänzten fettig – zurückgelehnt und ließ sich von einer blutjungen Frau mit festgefrorenem Lächeln im Gesicht bedienen: Sie hatte ihre Hand in seine Hose geschoben und befriedigte ihn mit raschen, verstohlenen Bewegungen, während sie mit der anderen Hand Pfundnoten in ihr knappes Kleid stopfte.
Die Musik hörte auf, und Maggie bewegte erneut ihre Füße. Die Sohlen machten ein schmatzendes Geräusch, und das Mädchen auf der Bühne blickte auf und blinzelte in ihre Richtung. Plötzlich wurde Maggie übel. Sie machte kehrt und verließ das Etablissement. Das Neonschild draußen flackerte, und das Mädchen im Baströckchen war nur zum Teil erleuchtet. Maggie ließ das Amours du Derek hinter sich. Es war nicht exotisch oder spannend oder deftig-anrüchig. Es war schäbig, jämmerlich, schauderhaft. Genau wie ihre Beziehung zu Derek, wenn man es genau betrachtete. Wie hatte sie sich so in ihm täuschen können? Ohne dass sie es verhindern konnte, krampfte ihr Körper sich zusammen, und sie erbrach sich in den Rinnstein, bis nichts mehr kam.
Sie hatte sich noch nie so elend gefühlt. Sie schämte sich, war aber vor allem tödlich erschöpft, denn die Morgenübelkeit schien den ganzen Tag anzuhalten. Langsam schleppte Maggie sich in Richtung U-Bahn, um nach Hause zu fahren; sie sehnte sich nach der relativen Bequemlichkeit ihrer miesen Absteige in der Hopkin Road, sehnte sich nach ihrem Bett, in dem sie vielleicht diesen schrecklichen Tag vergessen konnte.
Aber es sollte noch schlimmer kommen.
Als sie die Wohnung betrat, spürte Maggie sofort, dass etwas nicht stimmte. Es war dunkel – was nicht ungewöhnlich war, denn Camilla war oft unterwegs –, aber etwas hatte sich verändert, obwohl sie nicht sagen konnte, was es war. Maggie legte ihren Schlüssel auf den Tisch und zog ihr langes Haar unter dem Riemen ihrer Tasche hervor. Sie öffnete das Fenster, um nach der Milch auf der Bank draußen zu suchen.
Und da entdeckte sie den Zettel unter der Schüssel, in der normalerweise Camillas Obst lag.
Liebe Maggie,
es fällt mir schwer, Dir das zu schreiben, aber es muss sein. Derek und ich gehen zusammen fort. Wir haben uns ineinander verliebt, und es ist ernst. Ich habe ihm von dem Baby erzählt – Du hattest es offenbar nicht getan, und ich fand, er müsste es wissen. Er ist einfach noch nicht so weit, eine solche Verantwortung zu tragen, Maggie, das musst Du verstehen. Er hat sehr viel Potenzial, und ich denke, mein Vater wird ihn mögen.
Ich habe Dir zehn Pfund für die ausstehenden Rechnungen dagelassen. Hoffentlich reicht’s.
Danke für die schöne Zeit. Alles Liebe und viel, viel Glück mit dem Baby. Sei mir nicht böse.
Camilla.
Maggie weinte nicht, in diesem Moment jedenfalls nicht. Eine Zeitlang stand sie mit dem Zettel in der Hand reglos vor dem Fenster und starrte hinaus. Als sie sich schließlich wieder regte, tat sie es wie ein Roboter. Endlich begriff sie alles.
Camillas Bett im Wohnzimmer war ungemacht, das Laken zerknautscht, in der Mitte zwei Teller mit Toastkrümeln, auf einem ein gebrauchtes Kondom.
Noch immer weinte Maggie nicht.
Der Zustand der restlichen Wohnung war schlimmer denn je. Überall lagen Camillas Kleider herum, auf jeder freien Oberfläche stand ein überquellender Aschenbecher.
Das »Bad« war ein schrankähnliches Kämmerchen mit einem Waschbecken und einer nur etwas über einen Meter langen Badewanne. Als Maggie wie betäubt hineinspähte, als würde sie die beiden dort noch entdecken, sah sie etwas im Abfluss:
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