Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
schon mit vielen Kinderschauspielern gearbeitet, aber Chelsea war ein Sonderfall. Sie liebte das Rampenlicht, liebte es in einem solchen Ausmaß, dass Simon es für bedenklich hielt. Nichts in der Welt war ihr wichtiger, als im Mittelpunkt zu stehen und alle Kameras auf sich gerichtet zu wissen. Und dann, so dachte Simon oft, nur dann war sie wirklich sie selbst. Als er sie zum ersten Mal erlebt hatte – abseits des Sets –, war sie lustig gewesen, selbstironisch, enthusiastisch und voller überschäumender Energie. Dann hatte man eine Kamera auf sie gerichtet, und plötzlich war sie voll da gewesen. Sobald sie gefilmt wurde, strahlte sie eine unglaubliche Intensität aus, und etwas in ihrem Gesicht verwandelte sich so vollkommen, als sei sie in einem Rausch, als sei die Kamera ihre Droge.
Jedenfalls war es anfangs so gewesen. Doch in letzter Zeit hatte sich etwas verändert. Sie war aus der der Pubertät herausgewachsen, und obwohl sie vorlaut, anstrengend und ärgerlich ehrgeizig gewesen war, hatte Simon sie immer charmant gefunden und gerne mit ihr gearbeitet. Seit kurzem aber waren all diese Eigenschaften von einer gewissen Düsternis überlagert. Chelsea trank viel und hatte ständig ein Techtelmechtel mit jemandem von der Crew oder der Besetzung, und die Presse stürzte sich mit Wonne darauf. »Toxic Roxy« nannten die Klatschblätter sie gerne, und wann immer sich gerade keine andere Schlagzeile anbot, brachte man eine Story über Chelseas Nächte in den Clubs.
Er tätschelte Chelseas Arm.
»Hör mal, Chels, ich habe gestern von einer Rolle gehört. Klingt wie für dich gemacht.«
Es war eine neue Serie für ITV um eine Gruppe Prostituierte in Liverpool, und falls Chelsea wollte, konnte sie die Rolle eines jungen Mädchens aus dem Waisenhaus übernehmen, das schon früh auf den Strich geschickt worden war und nun verzweifelt versuchte, seinem Leben eine Wende zu geben. Die Rolle war klein, aber wichtig, und sie hing unmittelbar mit dem Kern der Geschichte zusammen, außerdem würde sie allen zeigen, dass Chelsea Stone auch schauspielerisch erwachsen geworden war. Simon selbst war gespannt darauf, zu sehen, welches Potenzial noch in ihr steckte.
Als er ihr davon erzählte, glaubte er, ein Flackern in ihrem Blick zu sehen. »Na, was denkst du?«, fragte er schließlich.
»Nein«, gab sie zurück. Steif verließ sie das Set. Simon folgte ihr langsam.
»Chelsea, die Rolle ist toll.«
»Ich sagte nein.« Sie nahm ihre Tasche, hängte sie sich über die Schulter und warf ihr Haar zurück. Sie war noch immer sehr jung, das durfte er nicht vergessen. »Ich will nicht mehr schauspielern, das habe ich dir schon gesagt. Ich hau jetzt ab.«
»Chelsea, du kannst doch jetzt nicht einfach gehen«, sagte er fest. »Du benimmst dich kindisch. Und du schneidest dir ins eigene Fleisch – die Rolle ist wirklich großartig.«
»Ich treffe mich mit den anderen im Pub«, sagte sie und kämpfte die Tränen zurück. »Lass mich einfach in Frieden, Simon.«
»Das ist doch Schwachsinn.« Bei seinen scharfen Worten blitzten ihre blauen Augen auf. »Tut mir leid, Chelsea, aber du bist nicht ganz bei Trost. Du hast das Potenzial zu einer großartigen Schauspielerin, und die Rolle könnte für dich der Durchbruch sein. Ich meine es ernst.«
»Oh, verpiss dich endlich.«
»Chelsea, hör mir doch zu.« Am liebsten hätte er sie geschüttelt, so frustriert war er. »Das ist doch pure Verschwendung von Talent.«
Sie stand auf der Schwelle des Studios. Die schwarze Farbe blätterte von der Holztür ab. Beiläufig zupfte Chelsea ein Stück ab und schnipste es mit dem Finger weg. Dann sah sie sich ein letztes Mal um und zuckte die Schultern.
»Es war doch sowieso nur Zufall, dass du mir damals die Rolle gegeben hast.«
Er starrte sie fassungslos an. Glaubte sie das wirklich? Er hatte noch nie jemanden getroffen, der so viel Selbstbewusstsein hatte und doch so wenig an sich glaubte.
»Das ist doch Unsinn«, sagte er. »Und das weißt du ganz genau.«
Und nun sah er in ihren Augen, dass sie nur bluffte. Aber ihr pubertärer Stolz war noch zu stark, und er begriff, dass er sie verloren hatte. Wieder zuckte sie die Schultern.
»Ihr seid selbst schuld. Wenn ihr mich wirklich so gerne gemocht hättet, dann hättet ihr die verdammte Serie nicht einstellen sollen.« Sie schniefte. »Ich muss jetzt wirklich los. Den Kater vertreibt man am besten mit dem Zeug, mit dem man am Abend vorher aufgehört hat.« Sie stellte sich auf
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