Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
funktionierte. Dennoch hatte sie geglaubt, dass sie beide gut miteinander zurechtgekommen waren, dass sie sich auf ihre Art geliebt hatten.
Und als sie in seinem Kellerzimmer stand, der Herbstregen draußen auf die Erde prasselte und sie die Beweise für das Doppelleben ihres Mannes – die Schwulenpornos, die Schuldscheine, die Briefe – in den Händen hielt, brach Margaret endlich in Tränen aus. Sie hatte seit Jahren nicht mehr geweint, seit Ambers Geburt nicht mehr. Mehr als ihr halbes Leben hatte sie versucht, ihre Gefühle zu unterdrücken. »Nur dieses eine Mal«, flüsterte sie, als sie sich über den Tisch beugte, ihr Körper von Schluchzern geschüttelt wurde und sie sich ihrem Kummer ergab – Kummer um eine Welt, die sie verloren hatte, um einen Mann, der ihr alles gegeben hatte, was sie geglaubt hatte, haben zu wollen.
Um den Mann, den sie offenbar nie richtig gekannt hatte.
Als es vorbei war, richtete Margaret sich auf, trocknete ihre Tränen und ging hinaus, um die schwarzen Müllsäcke zu holen. Die Beweise würden vernichtet werden, das Leben ging weiter, und auch wenn die finanzielle Seite gar nicht gut aussah, gab es bereits eine Lösung, und die war ihre jüngste Tochter.
Margaret hatte zu viel geopfert, um wieder dorthin zu gehen, wo sie einst begonnen hatte. Sie würde ein paar harte Entscheidungen treffen müssen – vor allem, was Chelsea betraf –, aber sie hatte keine Wahl.
Nichts durfte Ambers Karriere im Weg stehen. Nichts. Sie verharrte unten an der Treppe und nickte, als würde sie sich hier, in diesem schrecklichen Zimmer, in dem George sich erhängt hatte, einen Schwur leisten. Sie tat es für George. Für sich und Chelsea. Und für Amber.
Der Gottesdienst ging dem Ende zu. Margaret sah an Derek vorbei zu ihrer ältesten Tochter. Chelsea saß am Gang. Margaret hoffte, dass sie es mit ihren Krücken einigermaßen vernünftig bis ans Grab schaffte. Es wäre schrecklich, wenn sie stolperte oder sich auf andere Weise danebenbenahm. Bei Amber musste sie sich diese Sorgen nicht machen. Mit Amber ging immer alles gut. Chelsea dagegen … Margaret biss sich auf die Lippe. Sie hatte es satt, sich über ihre Tochter Sorgen zu machen. Sie konnte spüren, dass sie sich immer weiter voneinander entfernten, aber sie konnte nichts dagegen unternehmen. Es war schon so lange her, dass Chelsea auf das gehört hatte, was ihre Mutter sagte; der Widerstand hatte nicht erst mit den Dreharbeiten zu Roxys neun Leben begonnen. Margaret hatte ihre Tochter schon seit Jahren nicht mehr unter Kontrolle. Und was daraus geworden war, konnte man nun ja sehen. Typisch Chelsea, dachte sie wütend. An dem Abend, an dem ihr Vater diesen schrecklichen Unfall hatte, musste natürlich auch sie sich fast umbringen.
Margaret wusste, dass ihre Tochter an dem verhängnisvollen Abend im Haus gewesen war; nicht umsonst hatte George in seiner Nachricht geschrieben, man solle Chelsea sagen, es sei nicht ihre Schuld. Irgendetwas war zwischen den beiden vorgefallen – jedenfalls war sie mit dem Wagen ihres Vaters von hier weggefahren. Aber Margaret hatte beschlossen, darüber zu schweigen, denn je eher sich die Aufregung legte, umso weniger negative Publicity gab es für Amber. Sie würde es Chelsea bald sagen, versprach sie sich selbst. Wenn alles wieder normal war. Schließlich war es wichtig, dass ihre Tochter sich keine Vorwürfe machte. Ja, sie würde es ihr noch sagen.
Chelsea hatte mit sich selbst einen Pakt geschlossen. Sie würde dieses Begräbnis überstehen, ohne zusammenzubrechen, und sich um sich selbst kümmern, sobald sie zu Hause war. Einen ordentlichen Whisky und eine von den Schmerztabletten, die man ihr verschrieben hatte, oder besser zwei. Der Whisky war für ihren Dad – in memoriam. Sie hatte ihn ermordet. Sie hatte ihn so sicher getötet, als hätte sie ihm die Hände um die Kehle gelegt und zugedrückt. Sie schluckte, als ihr erneut Tränen in die Augen traten. Mit ihrer Flucht hatte sie ihm gezeigt, was sie von ihm hielt, und er hatte sich aus Scham erhängt … Sie würde nach Hause gehen und sich in seinem Namen mit edlem Talisker betrinken – er hatte ihr den Whisky zu Weihnachten geschenkt.
Der Whisky und die Tabletten hielten sie aufrecht. Sie sah scheußlich aus, das wusste sie, aber es machte ihr nichts. Im Grunde genommen war es nicht wichtig, was mit ihr geschah.
Die Zeremonie war vorbei. Die Trauergemeinde hatte sich zerstreut, und sie waren zum Friedhof gefahren, um
Weitere Kostenlose Bücher